Der goldene Thron
und auch die anderen Ritter standen reglos da und weinten. »Um seiner Würde und der Liebe Gottes willen, bedeckt ihn doch!«, rief Guillaume in tiefer Verzweiflung und wandte den Blick beschämt ab.
Die wenigen noch verbliebenen Ritter seines Haushaltes bereiteten den Leib ihres Herrn für seinen letzten Weg vor, wuschen ihn und ließen ihn in königliche Kleider hüllen. Bereits am nächsten Tag trugen sie seinen Sarg auf ihren Schultern ins Tal der Vienne und brachten ihn nach Fontevraud, der Lieblingsabtei der Königin.
Die Nonnen dort weinten und schluchzten, als sie vom Tod ihres Gönners hörten. Sie ließen den König in der Abteikirche vor dem Altar aufbahren, wachten die Nacht hindurch an seiner Seite und beteten für sein Seelenheil.
Das Licht der Kerzen warf die flackernden Schatten der Trauernden an die Wand. Ihre Wärme war das einzig Tröstliche in dieser Nacht. Guillaume, Baudouin und die anderen Getreuen des Königs waren zu Füßen ihres verstorbenen Herrn auf die Knie gegangen und verharrten so in stiller Andacht. Guillaume fühlte weder den Schmerz in seinen Beinen noch die Kälte, die vom steinernen Kirchenboden aufstieg. Er war zu beschäftigt damit, über die Geschehnisse der letzten Tage nachzudenken. Als sie den Sarg hinab zur Vienne getragen hatten, waren die Armen in der Hoffnung auf Almosen gekommen und hatten ihrem Königdie letzte Ehre erwiesen. Doch es hatte nichts zu verteilen gegeben, denn der Senechal von Anjou hatte behauptet, nicht eine einzige Münze zu besitzen, obwohl er doch die Schlüssel zur königlichen Schatzkammer verwahrte! Guillaume wurde die Brust eng. Henry II. war auf ebenso bedauernswerte Art von dieser Welt gegangen wie sein Sohn!
Während Guillaume noch seines Herrn gedachte, wurde die Tür zur Kirche aufgerissen, und Richard schritt mit unbeweglicher Miene und klirrenden Sporen auf den Altar zu. Er hielt vor dem Sarg seines Vaters an, verharrte einen Augenblick in schweigsamer Andacht und stellte sich dann am Kopfende auf. Lange stand er so da. Unbeweglich, ohne auch nur eine Spur von Trauer, Wut, Schmerz oder Genugtuung zu zeigen. Niemand der Anwesenden hätte zu sagen gewusst, was der Sohn beim Anblick seines toten Vaters empfand, so steinern war der Ausdruck auf seinem Gesicht. So viel Beherrschung verdient Bewunderung, musste Guillaume widerwillig zugeben. Ihm selbst war das Herz zu schwer, um seinen Kummer zu verbergen.
Nachdem er eine ganze Weile so dagestanden hatte, gab der Prinz Guillaume ein kurzes Handzeichen. »Folgt mir nach draußen«, befahl er streng und ging entschlossenen Schrittes voran.
Guillaume wusste, in welch misslicher Lage er sich befand, denn seine Zukunft lag nun ganz in Richards Hand. Gestern noch waren sie Feinde gewesen und hatten sich im Krieg gegenübergestanden. Heute war Richard der künftige König und konnte ihn nach Herzenslust dafür bestrafen.
Als sie schließlich im Hof beieinanderstanden, wandte sich Richard mit einem süffisanten Grinsen an ihn. »Es ist nicht lange her, Maréchal, da wolltet Ihr mich töten und hättet es getan, hätte ich Eure Lanze nicht im letzten Moment abgewehrt!«
»Sire«, verwahrte sich Guillaume hocherhobenen Hauptes, »ich hatte niemals die Absicht, Euch zu töten, und habe mich nicht darum bemüht. Ich bin noch immer stark genug, um meine Lanze zu führen, und hätte sie leicht in Euren Körper stoßen können, so ich es denn gewollt hätte. Doch ich zog den Leib EuresPferdes vor. Ich halte es nicht für falsch und bereue es auch nicht, denn ich musste meinen Herrn schützen!«
Richard sah ihn einen Augenblick an, dann lächelte er gütig. »Ich verstehe Eure Gründe, Maréchal, darum verzeihe ich Euch und werde Euch nichts nachtragen.«
»Ich danke Euch, Sire, denn Euren Tod habe ich ganz gewiss niemals gewollt«, versicherte Guillaume noch einmal.
»Ihr wart meinem Vater treu bis zum letzten Tag. Solche Ergebenheit ist selten, ebenso wie wahre Freundschaft, und doch bedeuten sie alles. Ich will Euch darum gleichfalls Vertrauen schenken, so Ihr mir ebenso große Treue versprecht!«
»Gewiss, Mylord, das tue ich!« Guillaume verneigte sich. Gott hatte entschieden, dass es Zeit für einen Wechsel auf dem Thron von England war, darum war es gewiss gut so. Henry II. war schon lange nicht mehr der starke Herrscher gewesen, den das Reich brauchte. Richard aber hatte die Kraft dazu, auch wenn er ein Rebell war, der sich gegen den Vater aufgelehnt hatte. Auch der junge Henry, dem
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