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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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nachzudenken, setzte einen Fuß vor den anderen, schneller und immer schneller. Erst als er sich anschickte, ein zweites Mal an Adam vorbeizuziehen, fiel ihm auf, wie blass der Junge war. Schweiß stand ihm in dicken Perlen auf der Stirn, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Guillaume verlangsamte seinen Lauf, bis er nur noch ging. Er wartete, bis Adam ihn einholte, nahm seinen Arm und legte ihn sich über die Schulter. »So kommst du leichter ans Ziel«, raunte er ihm zu und ließ die anderen Jungen an sich vorüberziehen.
    »Aber Ours wird …«
    »Mich bestrafen.« Guillaume lachte leise. »Das tut er doch ohnehin.«
    Eine endlos scheinende Runde später, als sie sich lange nachden anderen dem Ziel näherten, nahm Guillaume Adams Arm von der Schulter. Ours’ Regel lautete nicht nur, dass Guillaume Schläge bekam, wenn er als Erster einlief, sondern auch, dass derjenige, der als Letzter ins Ziel kam, bestraft wurde.
    »Mach schon, du musst vor mir ankommen«, raunte er Adam zu und schob ihn so vor sich her, dass er es tatsächlich vor Guillaume ins Ziel schaffte, bevor er erschöpft zusammenbrach.
    Ours hatte den anderen Knappen inzwischen befohlen, sich aufzustellen, und mit der Erklärung einer Schwertkampfübung begonnen.
    »Guillaume, du wirst nicht mitmachen, du läufst noch zehn Runden, dann kommst du zu mir«, befahl er mit gleichmütig klingender Stimme. Zu Adam, der noch im Gras lag, sagte er nichts.
    »Ours ist ein Schleifer«, hatte Lord Tancarville betroffen gemurmelt, als Guillaume kürzlich zum wiederholten Male verletzt vom Übungsplatz zurückgekehrt war. »Es ist seine verdammte Pflicht, anständige Männer aus euch zu machen. Er weiß genau, was er tut.«
    Guillaume zweifelte manchmal daran, aber das änderte nichts. Die zehn weiteren Runden waren gewiss nur ein Anfang. Sicher würde sich der Fechtmeister noch etwas Besonderes ausdenken, um ihn zu bestrafen. Guillaume straffte den Rücken, hielt die Arme locker neben dem Körper und lief hocherhobenen Hauptes los. Er hatte genau gewusst, auf was er sich einließ, als er Adam geholfen hatte, und es fühlte sich richtig an, auch wenn er jetzt bestraft wurde.
    * * *
    Adam lag noch immer im Gras. Niemand schenkte ihm Beachtung, ganz so, als existierte er nicht. Über Guillaume aber tuschelten sie. Die meisten frohlockten ob der Strafe, die ihn erwarten mochte. Obwohl er ein anständiger Kerl war, wie er soeben bewiesen hatte, fürchteten ihn viele, weil er so ein guter Kämpfer war. Andere neideten ihm die Liebe seines Herrn. Gasteviande, Vielfraß, nannten sie ihn, weil Tancarville ihm das beste Fleisch von der Tafel zukommen ließ, und so viel davon, wie Guillaumes Herz begehrte. Das missgönnten ihm vor allem jene, die hin und wieder hungern mussten. Adam aber konnte ihn ganz gut leiden. Guillaume war ein hervorragender Kämpfer, und es reizte ihn darum ungeheuer, gegen ihn anzutreten.
    »Ihr könnt jetzt gehen!«, hörte er Ours den Knappen zurufen. Der Fechtmeister klang erstaunlich friedlich. Adam lugte durch die hohen Halme. »Du nicht, Guillaume! Du kommst her!« Ours winkte ihn heran, und einige Knappen feixten schadenfroh, während sie sich trollten.
    Adam zögerte einen Augenblick. Ob er aufstehen sollte? Sein Herz klopfte. Vielleicht, wenn er die Strafe mit Guillaume teilte … Andererseits würde Ours das womöglich noch wütender machen. Adam beschloss, lieber ruhig liegen zu bleiben. Erst einmal sehen, was Guillaume noch erwartete. Aufstehen konnte er immer noch.
    »Ja, Sir«, hörte er Guillaume ergeben sagen und sah, wie er hocherhobenen Hauptes auf den Fechtmeister zuging.
    »Du hast Verantwortung gezeigt und einen verletzten Kameraden nicht zurückgelassen, obwohl du mit einer gehörigen Strafe rechnen musstest«, sagte Ours versöhnlich.
    Adam teilte erstaunt die Halme vor seiner Nase, die ihm die Sicht verdeckten.
    »Es ist für einen Ritter lebenswichtig, sich auf den Waffenbruder verlassen zu können.« Ours blickte Guillaume in die Augen, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Ich habe dich in den letzten Monaten genau beobachtet. Wie du kämpfst und dich durchbeißt, auch wie du dich um Gildwin gekümmert hast. Du bist ein guter, tüchtiger Junge, hartnäckig, ausdauernd und mutig. Und schon jetzt stark wie ein junger Ochse«, fügte er lachend hinzu. »Du hast das Herz am rechten Fleck. Gut gemacht, Guillaume!«
    Adam schloss die Augen und presste ungläubig die Luft aus seinem Brustkorb zwischen den Zähnen hindurch.

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