Der goldene Thron
Amt des Maréchal geerbt, sondern auch das Privileg, die goldenen Sporen des künftigen Königs auf einem seidenen Kissen zum Altar zu tragen. Guillaume atmete tief ein und folgte seinem Bruder auf dem Fuß. Er selbst hatte keine solche Aufgabe geerbt, und doch war er nun hier und trug das goldene Zepter, das zu den Insignien der Macht gehörte! Seine Hände zitterten vor Aufregung.
Vorsichtig warf er einen kurzen Blick auf seinen Vetter, den Earl of Salisbury, der hocherhobenen Hauptes und im Gleichschritt neben ihm ging. Er war der Sohn jenes geliebten Onkels, den die Lusignans vor vielen Jahren niedergemetzelt hatten. In seinen Händen hielt er den goldenen Königsstab, an dessen Ende eine goldene Taube prunkte.
Guillaume hatte die Augen längst wieder geradeaus gerichtet, als er ein Keuchen hinter sich vernahm. Er musste sich nicht umwenden, um zu wissen, wen er da gehört hatte. Es war David, Earl of Huntingdon, der Bruder des Königs von Schottland. Er schritt mit Robert, Earl of Leicester, und John, Richards jüngerem Bruder, hinter ihm. Jeder der drei trug ein wundervolles goldenes Schwert mit reich verzierter Scheide vor sich her. Als Guillaume die Schwerter zum ersten Mal gesehen hatte, waren seine Gedanken unwillkürlich zu Ellen abgeschweift. Doch diese Schwerter waren nicht als Waffen für den Kampf gedacht, sondern galten als Zeichen von Macht und Reichtum.
Dem Prinzen und seinen Begleitern folgten sechs Grafen und sechs Barone. Auf ihren Schultern trugen sie eine große Truhe mit den königlichen Gewändern und Waffen.
Dicke wollene Stoffbahnen, die man auf den Steinboden gelegt hatte, schluckten ihre Schritte, sodass es schien, als schwebte die ganze Prozession, ätherischen Wesen gleich, zum Altar. Der Chor der Mönche erhob sich, und das begeisterte Getuschel der Gäste erstarb. Guillaume zählte im Geiste jeden Fuß, den er vorden anderen setzte, so wie es ihnen aufgetragen war. Nur wenige Schritte trennten ihn noch von der Stelle am Altar, an der er sich aufzustellen hatte.
Alle geistlichen und weltlichen Würdenträger begaben sich auf die für sie vorgesehenen Plätze. Auch die zwölf Träger nahmen ihre Position ein. Als Nächstes trat Mandeville zum Altar, auf seinen ausgestreckten Händen ein Seidenkissen mit der edelsteinverzierten, goldenen Krone, die so schwer war, dass es ihm dicke Schweißtropfen auf die Stirn getrieben hatte. Und dann schritt Richard, der künftige König, auf den Altar zu. Den Bischof von Durham hatte er zu seiner Rechten, den von Bath zu seiner Linken. Über ihren Köpfen war ein Baldachin aus purpurfarbener Seide gespannt, der von vier verdienten Baronen an langen Stangen gehalten wurde und Guillaume an das Hochzeitskleid Isabelles erinnerte, was ihn kurz erröten ließ. Feierlich kniete Richard vor dem Altar nieder und senkte in Demut das Haupt vor den dort ausgestellten Reliquien.
Der Gesang der Mönche schwoll an und brach auf ein knappes Handzeichen des Bischofs von Canterbury plötzlich ab. Stille erfüllte die mächtige Kathedrale. Nicht das kleinste Schaben, kein Hüsteln und kein Flüstern waren mehr zu hören.
Dann erklang die klare Stimme des Herzogs der Normandie.
»Hiermit gelobe ich, Richard, Sohn von Henry, König von England, und Herzog der Normandie, als künftiger König den Frieden im Reich zu wahren, den Allmächtigen und die heilige Mutter Kirche zu ehren und ihre Verordnungen zu achten. Ich schwöre bei Gott und allen Heiligen, wahre Gerechtigkeit walten zu lassen, schlechte Gesetze und ungerechte Gebräuche abzuschaffen und sie durch gute neue zu ersetzen!« Als plötzlich lauter Beifall und begeisterte Hochrufe ertönten, schreckte eine Fledermaus auf, die im Holzgebälk der Kathedrale geruht haben musste, schwirrte dreimal über Richards Kopf und verschwand. Die Anwesenden hielten bang den Atem an, dann schlugen sie dreimal das Kreuz und tuschelten aufgeregt durcheinander. Die Geistlichen sahen sich verschreckt an und murmelten raschein paar Gebete. Ob es sich um ein böses Vorzeichen handelte? Auch Guillaume schaute sich um, begegnete dem fragenden Blick seines Vetters und entnahm den besorgten Gesichtern einiger Freunde, dass auch sie sich Gedanken machten.
Richard dagegen schien vollkommen unberührt. Als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen, ließ er die Zeremonie fortsetzen, sodass schnell wieder Ruhe und Aufmerksamkeit einkehrten. Mit bedächtigen Gesten nahmen ihm die kirchlichen Würdenträger seine Kleider ab. Nur das Hemd,
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