Der goldene Thron
zu fassen?« Guillaume schüttelte den Kopf, dann umarmte er den Mann, von dem nur das Lächeln noch an den Jungen aus Tancarville erinnerte. »Ralph, darf ich dir …?« Guillaume wandte sich um, doch Sir Ralph war bereits in der Menge verschwunden. »Feist bist du geworden, mein Lieber!« Guillaume lachte und tätschelte Gildwin freundschaftlich den runden Bauch. »Es scheint dir gut zu gehen.«
Gildwin nickte und strich sich liebevoll über die Leibesmitte. »Alles mühsam angefuttert!« Er grinste, aber in seinen Augen lag Enttäuschung. »Doch ein Aufstieg, so wie ich ihn mir als Junge erhoffte, war mir nicht vergönnt. Die Arglist, die man benötigt, um weiterzukommen, die Intrigen, Heimlichkeiten, Schliche und Tücken, all das liegt mir einfach zu fern! Mein Herr wird gefürchtet, ich aber wollte stets geliebt werden. Ich wurde schon früh einer von vielen Schreibern des Erzbischofs, wie du weißt, doch keiner ist so lange geblieben wie ich. Wer es wollte, ist aufgestiegen. Ich jedoch bin der einfache, gläubige Mann geblieben, der ich stets war. Ich glaube noch immer an die Ehre,so wie man sie uns in Tancarville gelehrt hat, aber auch an die Gnade Gottes. Darum habe ich mein Schicksal in seine Hände gelegt und mich von ihm führen lassen. Ich denke schon länger darüber nach, mich zu verändern, doch wohin soll ich gehen?« Gildwin seufzte leise und lächelte mühsam. »Immerhin ist das Essen im Haus des Erzbischofs von York vorzüglich, auch wenn es gewiss nicht mit dem mithalten kann, was uns hier geboten wird!« Er lachte betont fröhlich und zeigte auf die unzähligen schwer beladenen Knechte, die mächtige silberne Platten in die Halle schleppten. Glasierte Spanferkel, vergoldete Schwäne, gebratene Pfauen, deren Federn ein riesenhaftes buntes Rad bildeten, Kapaune, Fasane, Rehbraten, hoch aufgetürmte Scheiben von Ochsenfleisch, verschiedene Fische, gesottenes Lamm mit Rosinen, Enten, Gänse und viele Speisen mehr trugen sie auf. »So jammere ich denn auch nicht, sondern freue mich, dass ich das Glück habe, heute hier zu sein und mich an all diesen Köstlichkeiten laben zu dürfen, vor allem aber, dass ich dich noch einmal wiedersehe!« Er strahlte Guillaume an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Wie ich hörte, hast du erreicht, was du dir vorgenommen hast und mehr noch! Man nennt dich den ›Liebling der Könige‹, und ich muss sagen, du siehst prächtig aus! Als wäre das Alter an dir vorübergegangen, um bei mir hängen zu bleiben!« Er lachte.
Obwohl sich Gildwin so sehr verändert hatte, fühlte Guillaume dieselbe Verbundenheit mit ihm wie früher. Es war, als könnte er dem Freund noch immer alles erzählen, jede Sünde beichten, jeden Fehler, jede Schwäche gestehen, jeden Gedanken anvertrauen, und sei er auch noch so absurd.
Er beugte sich zu ihm vor. »Mir ist noch immer ein Rätsel, wie man aus all diesen Schnörkeln etwas entziffern kann. Ein Mann in meiner Stellung aber braucht, gerade was die Ausfertigung von Briefen und Urkunden angeht, Schriftgelehrte, denen er vollkommen vertrauen kann. Was würdest du davon halten, mein erster Schreiber zu werden, wenn es der Erzbischof gestattet? Du hättest die Aufsicht über ein oder zwei weitere Schreiber,später vermutlich mehr. Ich würde dich großzügig bezahlen, und für dein leibliches Wohl wäre auch gesorgt.«
Gildwin sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Mit einem solch verlockenden Angebot Spaß zu treiben, ist nicht anständig.«
»Ich treibe keinen Spaß, Gildwin. Ich dachte, du kennst mich besser.« Guillaume zog die Augenbrauen zusammen.
»Gewiss doch, Mylord, verzeiht!« Gildwin hatte unwillkürlich einen höflicheren, für seinen künftigen Herrn passenderen Ton gewählt. »Der Vorschlag kam so unerwartet! Nichts, glaubt mir, nichts wäre mir lieber, als Euer erster Schreiber zu sein!«
»Gut!« Guillaume strahlte. »Dann werde ich alles Weitere mit dem Erzbischof besprechen. Er wird meine Bitte kaum ablehnen können, schon gar nicht am heutigen Tag!« Guillaume lächelte. Dem König so nahezustehen, wie es ihm vergönnt war, hatte durchaus seine Vorteile. »Also lass uns darauf anstoßen, dass du schon bald mein Schreiber sein wirst!« Und mit gesenkter Stimme fügte er hinzu: »Sind wir allein, darfst du mich ruhig vertraulich mit Guillaume ansprechen, denn wir sind Freunde, auch wenn ich bald dein Herr bin, vergiss das niemals!« Dann winkte er einen Pagen herbei. »Bring uns Wein, wir wollen feiern und auf den
Weitere Kostenlose Bücher