Der goldene Thron
liebte. Er war nie mit ihr beim Angeln gewesen, hatte ihr niemals die regennassen Haare aus dem Gesicht gestrichen, nie mit ihr um Brigid gebangt und nie von ihrer wunderbaren Suppe gegessen.
Aber er hat ihren Körper berührt an Stellen, von denen du nur zu träumen wagst!, erinnerte ihn eine hässliche Stimme in seinem Kopf. Sie gehört jetzt ihm! Du hast sie für immer verloren!
»Nein!«, rief Conall und bemerkte erst jetzt, dass Isabelle sich wortlos abgewandt hatte und gegangen war. »Ich werde um dich kämpfen«, flüsterte er, »und ich werde gewinnen!«
Westminster, 3. September 1189
G uillaume schloss die Augen und atmete tief ein. Diesen Tag würde er niemals vergessen und die Erinnerung daran ebenso mit ins Grab nehmen wie die an all jene großen Tage, die sein Leben ausgemacht hatten. An die zwanzig Jahre war es her, dass er der Krönung Henrys, des jungen Königs, beigewohnt hatte, und doch kam es ihm so vor, als wäre es gestern gewesen. Auch damals hatte die Zeremonie für ihn den Auftakt zu einem neuen Leben bedeutet. Ein aufregendes, unstetes Leben an der Seite seines jungen Herrn. Verrückte Dinge hatten sie getan; viele Kämpfe verloren und unzählige gewonnen. Sie hatten ihr Leben mehr als einmal aufs Spiel gesetzt und so manche unüberlegte, falsche Entscheidungen getroffen. Trotzdem würde er niemals auch nur einen einzigen jener Tage missen wollen, denn sie hatten zu den glücklichsten in seinem Leben gezählt, auch wenn sie nicht immer die einfachsten gewesen waren.
Mit der Krönung Richards stand nun ein weiterer großartiger Lebensabschnitt an, denn trotz aller Unbill, die er durch Guillaume erfahren hatte, war der künftige König ihm durchaus wohlgesinnt. Und er tat recht daran! Guillaume würde ihm ebenso treu dienen wie zuvor seinem Vater und davor seinem älteren Bruder. Trotzdem war diesmal alles anders. Guillaume war nicht mehr nur irgendein nachgeborener Sohn, sondern ein Baron mit eigenen Einkünften und der Aussicht auf eine großartige Zukunft. Es galt nun nicht mehr allein die Interessen seines Herrn und Königs zu vertreten, sondern auch die eigenen und die jener Söhne, die er noch zu zeugen gedachte.
»Wärt Ihr bitte so freundlich, Euch auf Eure Plätze zu begeben,Mylords!«, rief einer der Mönche und klatschte in die Hände, als müsste er eine Anzahl Kinder bändigen. Damit die Krönungszeremonie ihres Lieblingssohnes perfekt verlief, hatte die Königin nichts dem Zufall überlassen, alles aufs Sorgfältigste vorbereitet und darauf bestanden, dass alle an der Zeremonie beteiligten Würdenträger den Ablauf mindestens ein halbes Dutzend Mal übten, damit bei der Krönung jeder von ihnen genau wusste, wo er zu stehen und was er zu tun hatte.
Nahezu alle bedeutenden Lords und Ladys sowie die höchsten Kleriker des Landes hatten sich eingefunden und weder Kosten noch Mühen gescheut, um an der Krönung teilzunehmen. Dicht gedrängt schoben sie sich nun in ihrem prächtigsten Feststaat in die Kathedrale von Westminster. Auch Isabelle war irgendwo unter den Gästen.
Der Bischof von Canterbury, dessen Aufgabe es war, den König zu krönen, hatte Richard an seiner Kammer abgeholt. Bischöfe, Äbte und andere kirchliche Würdenträger hatten ihn begleitet und führten den künftigen König nun in feierlicher Prozession auf den Hochaltar zu.
Einer der Bischöfe trug das mit Edelsteinen verzierte goldene Kreuz vor sich her, das schon bei der Krönung des jungen Henry die Zeremonie geschmückt hatte. Die kirchlichen Würdenträger rechts und links von ihm hielten dicke weiße Kerzen in ihren Händen, die Kleriker dahinter trugen fein verzierte, goldene Gefäße mit Weihwasser und schwerem, süßlich duftendem Weihrauch vor sich her. Ihnen folgten vier Barone mit goldenen Kerzenleuchtern.
Hochrufe der unzähligen Schaulustigen, die sich in den Straßen versammelt hatten, um einen Blick auf ihren neuen König zu erhaschen, drangen herein.
Guillaumes Herz hämmerte vor Aufregung. Was für ein großartiger Tag! Damals bei der Krönung seines jungen Herrn war er nur Zaungast gewesen, diesmal aber war er Teil der feierlichen Handlung und hatte eine bedeutende Aufgabe! Sein Blick huschte zwischen den beiden Männern vor ihm hin und her, als diesich in Bewegung setzten und in den Zug einscherten. Der eine war sein älterer Bruder, Jean le Maréchal, der andere Godefroi de Lucy. Beide folgten dem Klerus mit stolzgeschwellter Brust. Jean hatte vom Vater nicht nur den Titel und das
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