Der goldene Thron
Isabelle ihm geschenkt hatte, war er sicherer geworden. Kleine Kinder wirkten so zerbrechlich, doch sie waren es keineswegs, wie er inzwischen wusste. Je nach ihrem Alter konnte man sie in die Luft werfen und im Flug wieder auffangen, um sie glucksend lachen zu hören, mit ihnen ringen oder auf einer Wiese herumtollenund sie Purzelbäume schlagen lassen. Er küsste das Kind auf die weiche, runde Wange. »Was bist du nur für ein hübsches kleines Mädchen!«, sagte er und kitzelte Alix am Hals, bis sie gurgelnd lachte.
»Vater!«, rief William erfreut, als er kurz darauf die Halle betrat.
Eine Welle von Glück und Wärme überflutete Guillaume. Er hatte ihn auch diesmal Vater genannt!
»William, mein Junge«, sagte er leise. Rührung schnürte ihm die Kehle zu.
»Komm, Alix, wir gehen deine Amme suchen!«, schlug Marguerite vor und nahm Guillaume das kleine Mädchen ab.
Einen Augenblick sahen sich Vater und Sohn schweigend an, dann fielen sie sich in die Arme.
Guillaume schloss kurz die Augen. Er war so ungeheuer stolz auf seinen Erstgeborenen! Dann löste er sich von William und blickte ihn fragend an. »Geht es dir gut?«
William nickte lächelnd. »Ja, Vater. Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid!«, fügte er leise hinzu, dann wandte er sich an den Jungen an seiner Seite. »Das ist dein Großvater, Richard. Begrüße ihn!«
Der Junge nahm seine Bundhaube ab und verbeugte sich. »Willkommen in Roford, Großvater!«, sagte er artig. Den Kinderkittel konnte er noch nicht lange gegen Hemd und Beinlinge eingetauscht haben, denn er ging seinem Vater kaum bis zur Hüfte. Sechs oder sieben war er, also im richtigen Alter, um als Page zu einem guten Herrn geschickt zu werden. Wir sollten Baudouin bitten, dachte Guillaume und lächelte den Jungen an.
Stolz sah der zu seinem Großvater auf.
Guillaume legte ihm die Hand aufs Haupt. Sein Haar war voll und lockig und von dem gleichen Rot wie Ellens. Wärme und Zuneigung zu dem Jungen erfassten ihn.
Adam stieß die Tür geräuschvoll auf, und alle Augen waren auf ihn gerichtet, als er einen Krug Wasser und zwei Tonbecher hereintrug.
»Großartig, nichts ist erfrischender als kühles Wasser!«, lobte Guillaume, nachdem Adam ihm einen Becher gereicht und er den Staub der Straße aus seiner Kehle gespült hatte.
»Kommt, ich zeige Euch das Gut und die Falknerei«, forderte William ihn fröhlich auf. »Oder wollt Ihr Euch erst etwas ausruhen?«, fiel ihm plötzlich ein. »Die Reise war gewiss anstrengend!«
»Sehe ich vielleicht aus wie ein müder, alter Mann?«, brummte Guillaume scheinbar mürrisch und lachte dann. An die sechzig musste er inzwischen sein, genau wusste er es nicht, doch er fühlte sich noch immer stark, darum scherzte er gern über sein Alter und kokettierte damit.
William sah ihn irritiert an, schüttelte dann erleichtert den Kopf und lachte ebenfalls.
»Ist Robert noch bei dir?«
William lächelte und nickte. »Ich wüsste nicht, wie ich die ganze Arbeit ohne ihn schaffen sollte. Der König hat inzwischen ein Dutzend Vögel bei mir stehen, und es sollen noch weitere dazukommen. Blanchpenny hat sich bei einer Jagd verletzt und kann nicht mehr fliegen. Doch zum Glück habe ich im letzten Jahr einen herrlichen weißen Ger aus Norwegen abgetragen. Er heißt Gibbun und ist nun des Königs Lieblingsfalke«, erzählte William auf dem Weg zum Mauserhaus. »Vier Falkner arbeiten für mich, dazu vier Jagdhelfer und ein Hundeführer. Ich werde bald mehr Falkner brauchen.« Er zuckte mit den Schultern. »Für meinen Geschmack verbringe ich selbst viel zu wenig Zeit mit dem Abtragen, das Gut nimmt mich zu häufig in Anspruch, und im letzten Jahr war ich monatelang mit dem König unterwegs. Ich war viel jagen, und eine Ehre war es gewiss, aber …«
»… auch eine anstrengende Zeit«, vollendete Guillaume seinen Satz. »Schätze ich jedenfalls.« Er grinste, als William zustimmend nickte. »Ich bin froh, König John und dem Hof für ein paar Tage entfliehen zu können. Wenn du mir so lange Gastfreundschaft gewähren würdest?«
»Aber gewiss, Vater, mit der allergrößten Freude!« Williamstrahlte. »Wir könnten zusammen ausreiten und beizen gehen! Aber zuerst stelle ich dir meinen Zweitgeborenen vor; er muss im Obstgarten sein. Für gewöhnlich spielt er am Nachmittag dort.«
Guillaumes Herz hüpfte, weil William nicht Euch sondern dir gesagt hatte. Nichts hätte ihn glücklicher machen können als jenes Stück Vertrautheit, das nach Ellens Tod zwischen
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