Der goldene Thron
hingen.
Guillaume konnte nicht glauben, dass seine beiden treuesten Männer so töricht gehandelt haben sollten, doch er sagte nichts und hörte weiterhin aufmerksam zu.
»Als Eure Getreuen weit genug entfernt waren, soll Meilyrbegonnen haben, Eure Burg zu belagern. Eure Gemahlin fürchtete, gefangen genommen zu werden, und hieß die Soldaten, einen ihrer Männer über die Mauer abzuseilen, damit er zu Jean d’Erlée gelangen und ihm von ihrer Not berichten konnte.« John hielt dramatisch den Atem an. Es war ihm anzusehen, wie sehr er die Spannung genoss, die er dadurch bei seinen Zuhörern hervorrief. »Etienne d’Evreux und ein weiterer Ritter sollen bei dem Versuch, die Gräfin zu befreien, getötet worden sein. Und auch Jean d’Erlée wurde schwer verletzt und starb kurz darauf.« John seufzte zwar, doch wahre Betroffenheit zeigte er nicht. »Ist das nicht schrecklich?«
Guillaumes Herz schlug unwillkürlich schneller. Isabelle! Wenn nur Isabelle und den Kindern nichts geschehen war! Mehr, als dass sie ihm nach seiner Abreise eine gesunde Tochter geschenkt hatte und nach der Geburt wohlauf gewesen war, wusste er nicht, denn seit Wochen waren keine Nachrichten aus Irland eingetroffen. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, umgehend aufzubrechen und nach Kilkenny zurückzukehren, doch das Glitzern in den Augen seines Königs schien ihm so trügerisch, dass er zu zweifeln begann. Wie sollte es angehen, dass nur John Nachricht aus Irland hatte und niemand sonst? Konnte es wirklich sein, dass all diese furchtbaren Dinge geschehen waren, ohne dass er als Erster davon erfuhr? Guillaume legte die Hand in den Nacken. Es war kein Kribbeln zu spüren, weder jetzt noch in den vergangenen Tagen oder Wochen hatte es ihn geplagt. Würden ihn seine Vorahnungen ausgerechnet bei Isabelle im Stich lassen? Nein. Guillaume schüttelte kaum merklich den Kopf. Sein Gefühl sagte ihm ganz deutlich, dass weder seinen Kindern noch seiner Liebsten etwas geschehen war. Er beschloss also, dem König, der ihn erwartungsvoll ansah, in aller Seelenruhe zu antworten. »Wie wahr, Mylord, es ist bestürzend, was mit den Rittern geschah«, sagte er und gab sich bewegt, »denn sie waren Euch treue Männer, was diesen Verlust umso tragischer macht.«
John runzelte nun irritiert die Stirn. »Darüber werde ich nachdenken müssen«, brummte er und entfernte sich kopfschüttelnd.
Guillaume blieb äußerst beunruhigt und verwundert zurück. Was konnte John mit dieser Geschichte nur bezweckt haben? Dass er sich noch mehr um Isabelle sorgte? Und um seine Männer, die ihm teure Freunde waren? Nun, das war ihm gelungen. Guillaume seufzte aus tiefster Seele. Die Sorge um Isabelle und die Kinder quälte Guillaume auch ohne die hässlichen Geschichten des Königs. Immerhin hatte er seine Söhne einmal kurz zu Gesicht bekommen. Sie waren wohlauf gewesen, doch wie lange noch? Ihr Leben hing vom Wohlwollen des immer wankelmütiger werdenden Königs ab, darum waren Guillaume die Hände gebunden. Er war zum Warten verdammt und musste dazu noch gute Miene machen, obwohl es ihm schier unerträglich war, sich noch länger gedulden zu müssen. Jeden Tag hoffte er auf eine Botschaft aus Irland. Wann endlich würde er erfahren, was wirklich geschehen war?
Welche Zeitverschwendung, mit König John von einer Burg zur anderen ziehen zu müssen, ohne ihm wirklich zu Diensten sein zu können! Guillaume hasste dieses nutzlose Dasein bei Hof. Wie viel wichtiger wäre seine Anwesenheit in Leinster gewesen, und wie viel sinnvoller hätte er die stets knapper werdende Zeit seines irdischen Daseins bei seiner Familie in Kilkenny verbringen können, statt im Schatten seines launischen Königs zur Untätigkeit verdammt zu sein!
Roford Manor, Februar 1208
A ls Guillaume nach Roford Manor kam, ergriff ihn ein merkwürdiges Gefühl von Vertrautheit. Obwohl er sicher war, noch niemals hier gewesen zu sein, fühlte er sich vom ersten Augenblick an heimisch. Niemand hatte ihn angekündigt, darum konnte er nicht einmal sicher sein, William und Marguerite auch wirklich anzutreffen. Doch einen Versuch war es wert gewesen. Dass John ihm gestattet hatte, den Hof für eine Weile zu verlassen, um seinem Sohn und ihren gemeinsamen Enkeln einen Besuch abzustatten, war eine überraschende, aber überaus willkommene Gelegenheit gewesen, seinen trüben Gedanken um die Zukunft von Leinster zu entfliehen. Ein paar Tage lang wollte er nur Vater und Großvater sein, nicht Earl oder
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