Der goldene Thron
Robert habe ich erst hier kennen- und schätzen gelernt; Adam und Thibault dagegen wurden wie ich in Tancarville ausgebildet«, erwiderte er und verneigte sich.
Eleonore nickte zufrieden. »Simon de Marisco wird ebenfalls zur Entourage meines Sohnes gehören, er ist Engländer wie Ihr. Ein ganz reizender Bursche übrigens«, sagte die Königin versonnen. »Ich verlasse mich auf Euch, Guillaume. Sorgt dafür, dass ein wackerer, aufrechter Mann aus meinem Sohn wird, hört Ihr? König zu sein heißt, eine schwere Bürde zu tragen. Auch wenn er noch nicht regieren muss, so ist doch die Aufgabe, die auf ihn wartet, keine leichte. Er wird treue Männer wie Euch brauchen!«
Guillaume verneigte sich. »Ich werde Euch nicht enttäuschen, Mylady, Ihr habt mein Wort. Beim Herrn und allen Heiligen schwöre ich, Eurem Sohn stets die Treue zu halten, was auch immer geschehen mag! So wie mein Onkel stets Euch und Eurem Gatten diente. Lieber sterbe ich, als mein Wort zu brechen!«
Bei dem Gedanken an die Königin, die ihn dankbar angelächelt hatte, hellte sich Guillaumes ernste Miene auf. Er war der Fechtmeister des Thronfolgers! Sein Herz schlug ein paar Mal besonders heftig. Nach dem Tod seines Vaters würde der junge Henry die Herrschaft übernehmen und Guillaume als sein Lehrer und engster Berater das Vertrauen des nächsten Königs besitzen. Wie viel näher er seinem Ziel damit schon war!
Der Jubel des Volkes schwoll an. Guillaume achtete darauf, seinen Schritt zu verlangsamen, so wie sie es geübt hatten, damit es kein Gedränge gab, und schritt, den anderen Rittern folgend, durch das Stufenportal. Voller Ehrfurcht betrachtete er den steinernen Boden, den schon so viel illusterere Füße als die seinen berührt hatten, und begab sich in das Innere der Abteikirche.
Durch die kleinen Rundbogenfenster fiel nur wenig von der warmen Frühsommersonne hinein. Dunkel und kalt empfing sie das nahezu schmucklose, schlichte Gotteshaus. Rundbögenmit behauenen Würfelkapitellen trennten die Seitenschiffe vom Langhaus, das auf den erhöhten Chorraum zuführte. Die Barone, Ritter und reichen Kaufleute aus London, die zu den Gästen, nicht aber zu den Würdenträgern gehörten, stellten sich in dichten Reihen an die Seite, während der Erzbischof in der Vierung haltmachte und Weihwasser in alle Richtungen versprengte, bevor er ein Gebet anstimmte.
Ein Schauder jagte über Guillaumes Rücken, so feierlich war ihm zumute. Hier, in dieser Kirche, war William der Eroberer als erster normannischer Herzog zum König von England gekrönt worden. Und seitdem jeder seiner Nachfolger. Ehrfürchtig sog Guillaume den leicht muffigen, süßlich schweren Geruch von Weihrauch ein, bekreuzigte sich, wie es alle anderen taten, und warf einen kurzen Blick nach oben.
Die Holzdecke aus dicken Balken war kunstvoll bemalt. Obwohl er sicher war, dass es sich um Szenen aus der Bibel handelte, war Guillaume nicht in der Lage zu sagen, von welchen Geschichten sie erzählten, war er doch Krieger und kein Gottesmann. Mehr als ein paar Gebete, wie das Vaterunser, das Ave-Maria und die Bitte um die Vergebung seiner Sünden, waren ihm nicht vertraut, denn in der Kirche wurde aus der Bibel stets auf Latein vorgelesen, das er nicht beherrschte.
Ob sich König Henry II. wegen der Sünde, die er zu begehen im Begriff war, vor dem Jüngsten Tag fürchtete?
Einzig der Erzbischof von Canterbury hatte das Privileg, den König von England krönen zu dürfen, doch Thomas Becket, einstiger Kanzler und Freund des Königs, befand sich im Exil, und das ausgerechnet bei Henrys größtem Widersacher, Louis, dem König von Frankreich. Darum sollte der Erzbischof von York die Krönung des Prinzen vornehmen. Das jedoch kam einer offenen Beleidigung Beckets gleich, der von den Plänen des Königs erfahren, die Krönung verboten und vom Papst die Androhung erreicht hatte, dass jeder Geistliche, der dennoch an ihr teilnahm, exkommuniziert werden würde. Diejenigen, die es betraf, wussten allerdings von all dem nichts. Der Papst hatte zwarden Bischof von Worcester beauftragt, die Einhaltung seiner Order in England zu überwachen, doch war diesem die rechtzeitige Überfahrt über den Kanal nicht geglückt, weil die Königin nach der Abreise ihres Sohnes alle Häfen auf dem Festland hatte schließen lassen. Offenbar hatte der König den Erzbischof von York mit einer alten Ausnahmegenehmigung des Papstes überredet, die Krönung vorzunehmen, obwohl diese durch die neuen Anordnungen
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