Der goldene Thron
kein Prinz mehr wie seine jüngeren Brüder Richard, Geoffrey und John, sondern ein König! Henry, den jungen König, würde man ihn nennen, um ihn von seinem Vater zu unterscheiden, solange dieser noch lebte. Niemand wusste, warum der König entschieden hatte, seinem Sohn die Krone aufs Haupt zu setzen. Er hatte es beschlossen, also musste es richtig sein. Guillaume lächelte. Der junge König war ein wohlgestalteter, fröhlicher Jüngling mit ebenmäßigem, freundlichem Gesicht. Unbeschwert, ein wenig unstet noch, zu sorglos für einen König und manchmal flegelhaft im Benehmen, wie es in seinem Alter keine Seltenheit war. Mit der Zeit jedoch würde er gewiss weiser und einsichtiger werden und in seine zukünftige Aufgabe als König hineinwachsen. Ein Zucken umspielte Guillaumes Mund. Vorläufig würde der alte König seine Macht ohnehin noch nicht mit ihm teilen. Mehr als den Titel hatte der junge Henry am heutigen Tag nichtzugestanden bekommen. Der alte König hatte ihn zwar zum Erben von England, der Normandie und dem Anjou erklärt, während Richard Aquitanien und Geoffrey die Bretagne erhalten sollten, doch der Macht war der Junge – denn ein solcher war er noch – nicht wirklich näher gekommen. Zu häufig benahm er sich ungebärdig wie ein Kind. Er wurde rasch zornig, wenn ihm etwas verwehrt wurde, verkraftete Niederlagen nur schwer und beantwortete sie mit Wut und Rachegedanken, die eines zukünftigen Königs nicht würdig waren und im Kampf mit dem Schwert geschwind gefährlich werden konnten. Der junge König hatte noch viel zu lernen, und Guillaume würde ihm dabei zur Seite stehen.
Als Zeremonie und Krönungsmesse endlich vorüber waren und alle die Kirche verließen, wartete der Erzbischof am Portal, um den jungen König zu beglückwünschen.
»Es muss Euch mit großem Stolz erfüllen, Eurem Vater nun ebenbürtig zu sein«, begrüßte ihn Roger von York und lächelte milde.
Der junge Henry sah ihn von oben herab an. »Oh, nein, mein lieber Erzbischof, Ihr täuscht Euch! Meinem Vater gleichgestellt bin ich mitnichten«, erwiderte er mit steinerner Miene.
Der Erzbischof nickte zufrieden. Er glaubte wohl, dass Demut aus den Worten des jungen Königs spreche.
»Denn ich, Erzbischof, bin der Sohn eines Königs. Mein Vater hingegen ist nur der Sohn eines Herzogs!«, fuhr der junge Henry dreist fort.
Der Erzbischof erblasste und schnappte nach Luft. Einige Ritter schüttelten entrüstet die Köpfe, andere murmelten einander etwas zu, während wieder andere nur betreten dreinblickten ob dieser gefährlichen Mischung aus Hochmut, Unverstand und Verachtung.
»Aber, Mylord …!«, japste der Erzbischof empört nach einem flüchtigen Blick auf Henry II., dem die Zornesröte ins Gesicht geflogen war.
Der junge Henry aber lachte nur albern. Erst als auch er dieRage seines Vaters wahrnahm, wurde er ein wenig kleinlauter. »Ich beliebte zu scherzen, mein lieber Erzbischof, verzeiht!« Er nickte dem aufgelösten Kirchenmann huldvoll zu und ging dann, den Kopf hoch erhoben, den Schritt gemessen, mit ernster Miene an ihm vorbei.
Er spielt König!, dachte Guillaume fassungslos. Der junge Henry war nicht mehr als ein Grünschnabel und sich der Macht des Wortes ebenso wenig bewusst wie seiner neuen Stellung. Ob ihn niemand gelehrt hatte, dass etwas unbedacht Gesagtes ebenso gefährlich und verletzend, ja sogar genauso tödlich sein konnte wie ein Schwertstreich?
»Man hat dich zu seinem Fechtmeister gemacht, hörte ich«, unterbrach eine Stimme Guillaumes Betrachtungen. »Keine einfache Aufgabe, trotzdem alle Achtung und meine besten Wünsche!«, raunte ihm einer der Priester ins Ohr und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
»Gildwin!« Guillaume fiel aus allen Wolken und dem Freund um den Hals. Erinnerungen an die alten Zeiten in Tancarville wärmten seinen Magen. Wie lange war das her! »Lass dich ansehen! Du siehst großartig aus. Wie geht es dir?«, fragte er und musterte den alten Freund.
»Bestens!«, antwortete Gildwin strahlend.
»Und die Schulter?«
»Schmerzt noch immer bei jedem Wetterumschwung, doch im Scriptorium wird geheizt, wenn es kalt ist, darum beschwere ich mich nicht.« Gildwin strich sich über die Tonsur.
Guillaume schüttelte lachend den Kopf. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast und wie oft ich an dich gedacht habe. Du hast nie blühender ausgesehen, mein Freund! Das ruhige Leben scheint dir zu bekommen.« Die Freundschaft mit Adam hatte die zu
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