Der goldene Thron
Richard noch immer streng an und schien den Schreck, den er ihm eingejagt hatte, zu genießen.
»Wie Ihr wünscht, Mylord«, erwiderte Richard unsicher und verbeugte sich tief.
Henry nickte huldvoll. »Erhebt Euch, Lord Striguil.«
»Ihr bestätigt meine Ländereien in der Normandie und in Wales?«, vergewisserte sich Richard.
Der König nickte. »Wenn Ihr allerdings darauf hofft, Euch künftig wie Euer Vater Earl of Pembroke nennen zu dürfen, so muss ich Euch auch diesmal enttäuschen«, fügte er mit einer Miene hinzu, die keinen Widerspruch duldete.
Richard verneigte sich zähneknirschend. »Mylord!« Vorläufigwürde er nicht mehr erreichen können. Immerhin hatte er nicht alles verloren, auch wenn er noch nicht wusste, wie viel Land er künftig in Irland besitzen würde.
»Ich werde in Kürze nach Irland aufbrechen, und Ihr, Lord Striguil, werdet mich begleiten!« Henry II. wandte sich ab. »Ihr dürft Euch zurückziehen. Haltet Euch jedoch zu meiner Verfügung!«, befahl er, ohne Strongbow anzusehen.
Mit mehr als fünfhundert Schiffen, ebenso vielen Rittern, viertausend bewaffneten Männern und einigen Tausend Bogenschützen segelte der König nach Irland, um seine Vorherrschaft auch dort unter Beweis zu stellen. Schon während der Überfahrt musste er sich genau überlegt haben, wie er seine Männer – Figuren auf dem Schachbrett der Macht gleich – verteilen würde. Obwohl er sich gewiss des Wertes seiner Lords bewusst war, schien er verhindern zu wollen, dass sich zu wenige Männer mit zu viel Macht in Irland etablierten und damit ähnlich unabhängige Besitzverhältnisse schufen, wie er sie in Wales von seinem Vorgänger übernommen hatte. Er machte also Hugh de Lacy zum Lord of Meath und legte Dublin und das Umland in seine Hände. Waterford und Wexford vergab er an ebenso königstreue Männer.
Strongbow bekam immerhin genügend Ländereien, um ein gutes Auskommen zu haben, sein Titel als König von Leinster aber war für alle Zeiten verloren.
Neufchâtel-en-Bray im Mai 1172
Eine Schwertwunde heilt und vernarbt sehr bald,
wenn ein Arzt sie versorgt,
aber die Liebeswunde verschlimmert sich,
wenn ihr Arzt in der Nähe ist.
(Chrétien de Troyes – Yvain)
S eit einigen Meilen schon waren Burg und Stadt, die er einst an der Seite des Kammerherrn verteidigt hatte, zu ihrer Rechten zu sehen, und Guillaume konnte nicht umhin, sie immer wieder zu betrachten und an den Tag seiner Schwertleite zu denken. Unwillkürlich fuhr seine Hand zu der Narbe an seiner Schulter. Die Wunde, die der flämische Soldat ihm mit dem Eisenhaken zugefügt hatte, war längst verheilt, doch seine Enttäuschung, weil sich trotz all seiner Bemühungen die Nähe zu seinem früheren Herrn nicht wieder eingestellt hatte, schmerzte noch immer.
Bunte Zelte und Wimpel, flatternde Standarten und der Lärm des Kampfplatzes, der vom Wind herübergetragen wurde, lenkten Guillaumes Aufmerksamkeit auf sich. Hitze, einem Fieber gleich, packte ihn. Sein Kampfgeist war erwacht.
»Dahinten, seht!«, rief er und juchzte laut. »Los, beeilen wir uns! Ich kann es kaum erwarten, die Franzosen das Fürchten zu lehren!« Er zwinkerte seinem Herrn, dem jungen König, verschwörerisch zu. Trotz seiner Krönung vor zwei Jahren hatte Henry weder Regierungsgeschäfte zu erledigen noch besaß er Macht oder Verantwortung für das Reich, dessen Krone er trug.Also zog er auf der Suche nach Ruhm und Ehre mit den Rittern seines Haushaltes von einem Turnier zum nächsten.
»Sieg für Henry!«, rief Guillaume und streckte die Faust in den Himmel.
»Schande den Franzosen!«, fielen die anderen Ritter johlend ein, gaben ihren Pferden die Sporen und zeigten sich siegessicher.
In ihrem ersten Jahr unter englischem Banner hatten sie weitgehend Niederlagen zu verzeichnen gehabt, und die Franzosen hatten sich einen Spaß daraus gemacht, sie damit aufzuziehen. Sie hatten sogar die Frechheit besessen, schon bei der Aufstellung offen darüber zu streiten, wer wem welche Waffen, Pferde und Rüstungen abnehmen würde. Den Normannen unter den Rittern des jungen Königs war es ein Gräuel gewesen, von den Franzosen als Engländer verlacht zu werden. Darum hatte Guillaume ganze Arbeit leisten müssen, um sie aufeinander einzuschwören, damit sie sich ihren Gegnern als einträchtiger Verband entgegenstellten, auch wenn sie im Kampf um die Gunst ihres Herrn weiterhin Rivalen waren.
Guillaume bestimmte die Stelle, an der die Knappen und Knechte die Zelte des
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