Der goldene Thron
jungen Königs errichten sollten, ließ Pfosten für die Pferde in den Boden rammen und Lagerfeuer bereiten, an denen sie sich am Abend wärmen konnten.
»Falls mich der König sucht: Ich will sehen, ob ich Henry, den Herold, finde«, erklärte er am nächsten Morgen einem der Pagen und machte sich auf die Suche nach Henry le Norrois, einem mittellosen jungen Adeligen, der auf nahezu allen Turnieren anzutreffen war, auf denen sie kämpften. Er ritt stets voraus, kannte die letzten Neuigkeiten und wusste, wer sich verletzt hatte oder verhindert war. Guillaume war ihm schon vor Jahren zum ersten Mal begegnet und zählte ihn seitdem zu seinen größten Bewunderern. Die Loblieder, die der Norrois in spaßigen Versen zu dichten wusste, trieben die Entlohnung junger Ritter in die Höhe, darum beteiligten sie ihn an ihren Verdiensten. Auch Guillaume hatte er nach seinem Auszug aus Tancarville einige großzügige Gönner beschert, denn seine Aufgabe als Heroldverstand Henry le Norrois wie kein Zweiter. Doch mehr noch als sein unverzichtbares Wissen und seine heiteren Loblieder schätzte Guillaume seine fröhliche Gesellschaft und sein erfrischend ehrliches, loses Mundwerk.
Der Lagerplatz schien aus allen Nähten zu platzen, so viele Ritter, Händler, Gaukler, Huren und Handwerker waren hierher gekommen. Gemächlich schlenderte Guillaume zwischen den Zelten hindurch. Er begrüßte alte Freunde, nickte seinen Feinden zu und strahlte, als er den Norrois entdeckte.
»Henry, mein Freund!«
»Guillaume, Blume der Ritterschaft!« Der Norrois verbeugte sich überschwänglich und grinste ihn aus dieser Haltung von unten her an, bevor er sich wieder aufrichtete. »In gewohnt guter Form, wie ich sehe! Deine Feinde werden mit den Knien schlottern, wenn sie dir erst gegenüberstehen!«
»Erzähl mir, welche großen Ritter erwartet werden. Wer wird uns besonders gefährlich werden? Und wen sollen wir noch für unseren Verband hinzugewinnen?«
Henry le Norrois lachte, machte sich über die Franzosen lustig, berichtete von einigen bedeutenden Kämpfern, die zu fürchten waren, und riet Guillaume, sich einen jungen Ritter anzusehen, der sich in letzter Zeit hervorgetan hatte und noch keinem festen Verband angehörte.
»Ellenweore! Henry!«, drang eine Stimme aus der Menge.
Der Norrois runzelte die Stirn und blickte sich um. »Jean!«, rief er erfreut.
Guillaume hatte den Jungen noch nie zuvor gesehen, dem Henry nun jovial auf die Schulter klopfte.
»Hast du nicht gerade Ellenweore gerufen? Wo ist sie?« Henry sah sich erneut suchend um. »Ellen!«, rief er plötzlich und winkte jemanden herbei. »Wie geht es dir?«
Neugierig drehte sich Guillaume um. Eine junge Frau mit wirren roten Locken stand, nicht weit von ihm entfernt, wie vom Blitz getroffen da. Ihr Gesicht war gerötet und um die Nase ein wenig von Ruß geschwärzt.
Guillaumes Herz schien mit einem Mal nicht mehr in seiner Brust, sondern weit oben im Hals zu schlagen. Alan? Er räusperte sich unsicher. Konnte diese Ellen seine Alan sein? Er hatte Mühe, wieder zu Atem zu kommen. »Kennen wir uns?«, fragte er, während sein Blick an der jungen Frau festhielt. Sie musste es sein! Ihre Gesichtszüge schienen ihm weicher und weiblicher geworden, doch sie war es zweifelsohne. Guillaumes Herz schlug hart gegen seine Brust. Alan, meine Alan, dachte er. Wie viele Jahre sind vergangen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben!
Die junge Frau schüttelte den Kopf. Verwirrung stand in ihrem Gesicht. »Verzeiht, ich muss zurück. Die Arbeit …«, behauptete sie, knickste und eilte davon.
Der junge Jean murmelte eine Entschuldigung und stürzte ihr nach.
»Meine Herren, Guillaume! Einen Eindruck machst du auf die Frauen!« Henry lachte, und seine Augen wurden zu vorwitzigen kleinen Schlitzen. »Ich hatte nicht einmal Zeit, euch vorzustellen, und schon ist sie auf der Flucht vor dir.«
Guillaume blickte ihr noch immer nach. Ob sie bemerkt hatte, wie aufgewühlt er war? »Woher kennst du sie?«, fragte er Henry mit rauer Stimme, räusperte sich und zog ihn mit sich fort. »Du musst mir alles über sie erzählen.«
»Nanu, was ist denn in dich gefahren? Verliebt?« Henry grinste schelmisch. »Hätte gedacht, es zieht dich eher zu den höheren Töchtern, wo es was zu holen gibt. Du kannst doch sonst den Hals nicht voll kriegen.« Er zwinkerte Guillaume zu, als der empört schnaufte. Dann wurde er ernst. »Ellenweore gehört ganz sicher nicht zu der Sorte, die sich als Gespielin
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