Der goldene Thron
noch nicht zurück war. Er ging zu ihrem Zelt und sah hinein, doch da war sie nicht.
»Was ist denn los, Ellenweore?«, rief er, als er sie schließlich nicht weit entfernt entdeckte. Sie sah verstört aus, ganz so, als hätte sie eine schlimme Nachricht erhalten.
»Thibault!«, stieß sie hervor.
»Nein, nicht der schon wieder!«, stöhnte Guillaume. Ob Thibault womöglich entdeckt hatte, dass Ellenweore die Schwertschmiedin und Alan, der Schmiedejunge aus Tancarville, ein und dieselbe Person waren? Würde ihm ähnlich sehen, wenn er ihr deshalb nun das Leben schwer macht, dachte Guillaume und schnaufte missbilligend.
»Ich bin Alan, nicht seine Schwester, und Thibault weiß das.«
Also doch. Sie weiht dich nur ein, weil er Druck macht, zischelte eine boshafte, kleine Stimme in Guillaumes Kopf.
»Er hat gedroht, dir alles zu sagen, wenn ich ihm nicht zu Willen bin.«
Was hatte Thibault gefordert? Sie sollte ihm zu Willen sein? Guillaume glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Er schnappte empört nach Luft.
»Ich habe ihn zum Teufel gejagt und gesagt, ich werde dir selbst erzählen, wer ich bin. Da hat er wohl nach einer anderen Lösung gesucht, seinen Willen durchzusetzen, und hat Jean mitgenommen.« Sie schwieg ebenso plötzlich, wie sie zu reden begonnen hatte.
»Und jetzt?«, fragte Guillaume. Er bemühte sich, ruhig zu wirken, obwohl er Thibault hätte erwürgen können. Dass Ellen nicht vorhatte, zu ihm aufs Lager zu steigen, bedurfte keiner Nachfrage, da war er sich ganz sicher. Eifersüchtig war er darum keineswegs, nur besorgt und sehr wütend.
Ellen sah ihn verstört an. »Wie, was jetzt?«
»Was sollen wir machen, ich meine, wegen Jean?« Guillaume überlegte, wie sie Ellens Weggefährten aus Thibaults Gewalt befreien konnten.
»Hast du eigentlich verstanden, was ich gesagt habe? Ich bin Alan!«, schrie sie ihn an.
»Sicher habe ich verstanden, Ellen. Glaubst du im Ernst, ich hätte das nicht längst gemerkt?« Guillaume sah ihr in die Augen und atmete tief ein. »Allein der Duft deiner Haut! Ich verstehe bis heute nicht, wie du die anderen so lange hast täuschen können. Auch Thibault! Am ersten Sonntag damals im Wald von Tancarville hatte ich schon einen Verdacht, und bei unserem dritten Treffen war ich mir sicher.«
Ellen starrte ihn sprachlos an. »Du … du hast es die ganze Zeit gewusst?« Sie baute sich vor ihm auf. Zorn funkelte in ihren grünen Augen, doch Guillaume zuckte nur mit den Schultern und grinste.
»Und wenn schon?«
Sie japste nach Luft. »Ich kann es nicht glauben! Du hast dich die ganze Zeit über mich lustig gemacht?«
»Wäre dir lieber gewesen, wenn ich dich hätte auffliegen lassen?«, entgegnete Guillaume gereizt. Immerhin war sie ja diejenige gewesen, die gelogen hatte. Er dagegen hatte ihr Geheimnis nur gehütet und ihr später dann als Alans Schwester sogar einen Ausweg gezeigt. Warum tat sie nun, als wäre er der Schuft? Als sie auf seine Frage nicht antwortete, ermahnte er sie: »Wollen wir noch weiter über vergangene Zeiten plaudern, oder gehen wir jetzt lieber deinen jungen Freund befreien, bevor Thibault noch durchdreht?« Die Aussicht, Thibaults Plan fehlschlagen zu lassen, reizte ihn über die Maßen, auch wenn er wusste, dass sie dabei vorsichtig vorgehen mussten.
Ellen brummelte etwas, holte Athanor wieder aus dem Zelt und befahl Madeleine, auf sie zu warten. »Rühr dich auf keinen Fall von der Stelle, hörst du?«, befahl sie dem Mädchen, das offensichtlich sehr einfältig war. »Du brauchst nicht mitzukommen«, sagte sie ein wenig schnippisch, als Guillaume sich anschickte, sie zu begleiten.
»Ich weiß, wie gut du mit dem Schwert umgehen kannst, Ellen«, erwiderte er sanft, »aber Thibault hat inzwischen viel mehr Erfahrung als du. Außerdem ist er hinterhältiger. Ich kann ihn sowieso nicht leiden, und Jean hat schließlich nichts mit dieser Sache zu tun. Da ist meine ritterliche Ehre gefragt«, erklärte er und lächelte sie aufmunternd an.
»Pah, Ehre!«, platzte sie heraus.
Guillaume überhörte es geflissentlich, obwohl ihn ihre Herablassung verletzte. Sie war verwirrt und sorgte sich um Jean. Vielleicht schämte sie sich auch, weil sie so lange gebraucht hatte, um ihm die Wahrheit zu gestehen. Darum beschloss er, ihren Ausruf nicht zu ernst zu nehmen.
»Am besten ich tue so, als wollte ich Thibault besuchen, in aller Freundschaft sozusagen. Und du …«
»Ich schleiche mich von hinten an, versuche, Jean zu befreien und
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