Der goldene Thron
bereits fort war? Er rang nach Atem.
»Du entschuldigst mich«, sagte Guillaume kurz und wandte sich entschlossen ab. Er musste sie unbedingt finden und ein letztes Mal in seinen Armen halten!
Als er aus Thibaults Zelt stürmte, sah er, dass sich eine Traube aus Wachleuten gebildet hatte. »Er atmet nicht mehr«, sagte einer der Männer. Er kniete neben dem jungen Wachsoldaten, der Guillaume zuvor ins Zelt gelassen hatte, und schloss die Augen des Toten. Seine Schulter war gespalten. Der Wachposten musste versucht haben, sich Ellen und Madeleine in den Weg zu stellen …
Guillaume atmete tief ein. Sie hatte einen Ritter verletzt und einen Soldaten getötet, darum musste sie so schnell wie möglich fliehen! Guillaume rannte zu der Stelle, an der ihr Zelt gestanden hatte. Vielleicht konnte er ja noch etwas für sie tun! Er lief, so schnell ihn seine Füße trugen, doch er kam zu spät. Das Feuer war notdürftig mit Sand gelöscht und rauchte noch, das Zelt war fort. In aller Eile aus dem Boden gerissen, wie die zurückgelassenen Eisenhaken bewiesen. Guillaume verwischte die Spuren ihrer Flucht bis zum Waldrand, setzte sich auf einen Baumstamm und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Ellen, meine liebste Ellen, werde ich dich jemals wiedersehen?
Dezember 1172
I hr gebt viel zu viel Geld aus!«, ereiferte sich der Priester, der von König Henry II. beauftragt war, die Finanzen seines Sohnes zu überprüfen, und legte dem jungen König ein Pergament vor, auf dem er die Einnahmen und Ausgaben der letzten Wochen notiert hatte. »Euer Vater ist es leid, Euch ständig mit Geldmitteln zu versorgen. Ihr seid verschwenderisch und bezahlt zu viel für die Turnierkämpfer, neue Waffen und Eure Entourage.« Er fuhr sich mit der Rechten über die akkurat geschorene Tonsur, die von einem Kranz dichter, dunkler Haare umgeben war. Als er den Arm hob, lugte am Hals ein Stück des härenen Hemdes hervor, das er unter seiner Kutte trug.
»Soll ich meine Männer hungern lassen?«, ereiferte sich Henry, »nur weil mein Vater ein Geizhals ist?«
Guillaume wusste, dass der junge König ungerecht war.
Henry II. war mehr als großzügig, doch sein Sohn gab das Geld gedankenlos und mit vollen Händen aus.
»Unser junger König hat einen Ruf zu verteidigen!«, mischte sich Thibault ein. Sein Arm war inzwischen so gut verheilt, dass er schon wieder mit dem Kämpfen hatte beginnen können. Sowohl seine Verletzung als auch den Tod des jungen Soldaten hatte er seinem Herrn mit einem Duell erklärt, zu dem ihn der junge Mann angeblich herausgefordert habe. Guillaume aber hasste er seitdem gewiss noch mehr, auch wenn er seine Wut gut zu verbergen wusste.
Von Ellen und ihren Begleitern aber fehlte seit jenem Tag jede Spur. Nur in seinen Träumen lag sie wieder in Guillaumes Armen. Ganz gleich, wie schmerzlich er sie vermisste, Guillaumemusste hoffen, dass sie nie wieder auf einem Turnier auftauchte, damit sie Thibault nicht noch einmal über den Weg lief.
»Immerhin ist es der Großzügigkeit unseres Herrn zu verdanken, dass wir als Engländer auf dem Kampfplatz nicht mehr verlacht werden«, fügte Thibault hinzu, wohl wissend, dass es nicht der junge König, sondern Guillaume gewesen war, der sie in den Sieg geführt hatte. Er hoffte wohl, ihn zu einem Widerspruch bewegen zu können, doch Guillaume blieb schweigsam. Thibault fuhr daraufhin mit seinen Ausführungen fort: »Außerdem braucht unser Herr ein Gefolge, Kleidung und Pferde, die eines Königs würdig sind, oder soll er sich vielleicht, einem Bettler gleich, in Sack und Asche kleiden und zu Fuß gehen?« Thibault wusste genau, dass Guillaume stets bemüht war, den jungen König bei seinen Ausgaben zu Mäßigung anzuhalten. Er versuchte alles, um Guillaume herauszufordern, wohl in der Hoffnung, ihn so beim jungen König in Misskredit zu bringen.
Doch Guillaume war klug genug, sich zurückzuhalten.
»Was meint Ihr dazu, Guillaume?«, fragte der junge Henry ihn jedoch um Rat.
»Ihr kennt meine Meinung, Sire, und wisst, dass ich Euch stets beistehe«, antwortete Guillaume und verbeugte sich leicht.
Bald zweieinhalb Jahre war Henry nun schon König, doch reifer war er in dieser Zeit nicht geworden. Er war noch immer der hübsche Bursche mit dem fröhlichen Gesicht, der bei allem Charme doch verantwortungslos, vorlaut, eitel und leichtgläubig war. Er genoss es, verehrt und bejubelt zu werden, selbst wenn er mit barer Münze dafür bezahlen musste. Trotzdem liebte Guillaume ihn und
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