Der goldene Thron
König, niemand sonst. Ganz gleich, wie streng, vielleicht auch ungerecht er zuweilen sein konnte. Seine Söhne und seine Lords schuldeten ihm Respekt, keine Rebellion.
Gewiss, die Prinzen waren noch jung und unerfahren, leichtgläubig und zu vertrauensselig wohl auch, auf jeden Fall aber offenbar nicht in der Lage, die Folgen ihres Tuns ermessen zu können. Im Kampf hatten sich viele Getreue um den jungen Henry als mittelmäßige Krieger entpuppt. Nur wenige hatten sich durch besonderen Ehrgeiz hervorgetan. Wirklich aufgefallen war nur einer, der, beseelt von außerordentlichem Kampfgeist, auch besondere Qualitäten als Anführer bewiesen hatte. Sein Ruf hatte sich bis in Strongbows Lager verbreitet.
»Guillaume le Maréchal«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Ein mutiger, ehrbarer Krieger war er ohne Zweifel, und gewiss hätte er eine große Zukunft vor sich gehabt, wenn er nicht auf der falschen Seite gestanden hätte. »Schade um ihn«, brummte Strongbow, »ist ein ganzer Kerl.«
»Verzeiht, Herr, der König schickt nach Euch.«
Strongbow richtete sich auf und blickte den jungen Soldaten, der neben seinem Bett stand, aus müden Augen an. »Der König?«, wiederholte er und begriff erst dann. Er musste eingenickt sein, dabei hatte er doch nur nachgedacht! Mit einem Satz stand er auf und richtete seine Kleider. »Gewiss doch, ich komme!«
Der Soldat verneigte sich und sprang aus dem Weg, als Richard an ihm vorbeistürmte.
»Ihr habt mich rufen lassen, Mylord?« Strongbow hatte vor der Halle kurz haltgemacht, um nicht zu abgehetzt zu wirken, und ging nun gemessenen Schrittes auf den König zu, der, umringt von Rittern und Knappen, an einem langen, schweren Eichentisch stand. Strongbow verneigte sich elegant und harrte einen Augenblick so aus, bevor er sich wieder aufrichtete.
»Richard FitzGilbert de Clare, Lord of Striguil und Leinster!«, begann der König und ließ den Blick über die Fleischplatte wandern, die vor ihm stand.
Richard straffte den Rücken, legte beide Hände darauf und umfasste mit der linken sein rechtes Handgelenk. »In dieser Haltung wirkst du größer«, hatte Aoife einmal gesagt.
»Euch gebührt mein Dank für Eure hervorragenden Dienste«, fuhr der König fort, nahm sich ein Stück Braten und spießte mit einem spitzen Messer ein weiteres Stück auf. »Ihr müsst hungrig sein. Nehmt!« Er streckte es Strongbow entgegen.
»Habt Dank, Sire!«
»Nun macht schon, esst!«, forderte Henry II. ihn auf, als Strongbow das Fleisch nicht umgehend in den Mund schob, und legte die Stirn ungeduldig in Falten. Dann schnippte er mit den Fingern. »Hat dir niemand gesagt, dass einem Gast stets Wein gereicht wird?«, fuhr er einen höchstens siebenjährigen Jungen an.
»Doch, Sire, verzeiht!« Der Junge hatte Tränen in den Augen.
»Heul nicht, sondern tu, was man dir sagt!«, mischte sich nun ein langer, schlank gewachsener Knappe ein und versetzte dem Jungen einen Schlag auf den Hinterkopf.
Strongbow fühlte sich unwillkürlich an seine eigene Zeit als Page erinnert. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Auch er war häufig für mangelnde Aufmerksamkeit bestraft worden, doch es hatte ihm nicht geschadet, im Gegenteil. Der junge Page, der gewiss aus einer der mächtigsten Familien des Königreichs stammte, vielleicht gar ein Neffe oder entfernter Vetter des Königs war, würde mit der Zeit ebenfalls lernen zu tun, was von ihm erwartet wurde.
Das Kinn des Jungen bebte, und seine Hände zitterten, als er einen silbernen Becher mit weißem, nach Nelke duftendem Wein füllte. Ein paar Tropfen gingen daneben und bildeten eine kleine Lache auf dem Eichenholz. Der Schreiber, der am Tisch saß, blickte ungnädig auf und schob die Urkunden, die er gerade ausfertigte, ein wenig zur Seite. Eilig wischte der Junge den verschütteten Wein mit seinem Ärmel auf.
»Ich habe beschlossen …« Der König setzte sich in einen Lehnsessel und machte Anstalten, seine Stiefel auszuziehen. Sofort kam ein weiterer Junge herbeigeeilt, griff nach dem königlichen Bein, klemmte Henrys Fuß zwischen seinen Knien ein und bekam den anderen aufs Hinterteil gedrückt, bis er nach vorne fiel, den Stiefel noch immer in der Hand.
»Ah, tut das gut!« Henry II. stöhnte genüsslich und wackelte mit den Zehen, bevor er dem Jungen den zweiten Stiefel entgegenstreckte. »Ich könnte ein heißes Fußbad vertragen«, murmelte er, nachdem seine Füße von dem offenbar drückenden Schuhwerk befreit waren und er nun in
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