Der goldene Thron
»Wir müssen für jedes Glied dieses Leibes einstehen. Achtet aufeinander, helft euch gegenseitig und vor allem: Beschützt unseren geliebten Herrn treu, entschlossen und tapfer. Keine Alleingänge mehr! Von niemandem. Nicht der Erfolg des Einzelnen, sondern einzig der Sieg unseres Königs zählt!« Guillaume sah einen nach dem anderen an. »Niemand soll mehr wagen, uns zu schmähen! Beute!« Er stieß Athanor in die Höhe. »Für Henry!«
Die Männer jubelten voller Begeisterung.
Guillaume klopfte mit Athanors Knauf auf seinen Schild. »Henry! Henry!«, skandierte er.
Die Ritter des jungen Königs schlugen ebenfalls auf ihre Schilde und antworteten ihm aus rauen Kehlen.
»Für den König!«, rief Guillaume.
»Für den König«, schrien die Männer nun aus Leibeskräften, als hätten seine Worte die schwere Bürde, ewig verlieren zu müssen, endlich von ihren Schultern genommen.
Guillaume und seine Kameraden waren so zuversichtlich wie nie zuvor. Sogar ihre Gegner bemerkten verblüfft, welchen Kampfgeist sie ausstrahlten, wunderten sich, begannen, zu zaudern und zu zögern, und gerieten so in Schwierigkeiten.
»Dex aïe!«, rief der junge König trunken vor Eifer. Gott helfe! Er stürzte sich auf die Franzosen, als die ersten Männer vor ihm zu flüchten begannen.
An diesem Tag nahmen sie ihren Gegnern viele herrliche Pferde und unzählige kostbare Waffen ab. Die Lösegelder für die Freiheit ihrer Geiseln würden ihre Börsen endlich so reich mit Münzen füllen wie lange nicht.
»Ihr habt den König zum Sieg geführt, Maréchal!«, sagte Baudouin de Béthune voller Bewunderung, als sie zum Lager zurückkamen.
»Henry!«, rief Guillaume statt einer Antwort und stieß Athanor in die Luft.
»Henry!«, erwiderten die Ritter um ihn herum, jubelten und rissen die Fäuste hoch.
»Du warst es, der mich wieder daran erinnert hat, worauf es ankommt«, sagte Guillaume und legte den Arm um die Schultern des jungen Mannes. »Zusammenhalt!« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Komm, mein junger Freund, lass uns mit den anderen auf unseren Erfolg anstoßen!«
Seit jenem Turnier gehörten sie zu den Siegern, und niemand wagte mehr, sie zu verspotten. Respekt zollte man ihnen nun und achtete sie als gefürchtete Gegner. Hocherhobenen Hauptes ritten sie auf jeden neuen Kampfplatz und ließen sich bewundern und verehren. Ihr stolzes Auftreten, die vielen Pferde, ihre glänzenden Waffen und ihr Ruf als Gemeinschaft beeindruckten.
Vor allem die jungen Ritter, die aus Flandern und Frankreich, dem Hainaut und der Bourgogne, dem Poitou, der Touraine oder dem Anjou, der Normandie und der Bretagne herbeigereist waren, sehnten sich danach, einmal zu ebensolchem Reichtum und Ruhm zu gelangen wie sie. In die Truppe des jungen Königs aufgenommen zu werden, galt als die höchste Ehre, denn Henry nahm nur die Besten der jungen Ritter in seinen Dienst. Hundert hervorragende Männer und mehr kämpften zuweilenan seiner Seite und machten ihn schlagkräftiger und erfolgreicher als je zuvor. Der Frieden im Land dauerte schon eine ganze Weile an, und die Ritter und Barone langweilten sich immer mehr. Umso zahlreicher zogen sie darum zu den Turnieren. Die Herzöge von Blois, Flandern, Clermont, Champagne und Beaumont zog es ebenso zu den Wettkämpfen wie den berühmten des Barres, den man »den guten Barrois« nannte, und andere große Barone. Jeder von ihnen hatte viele Dutzend Ritter in seiner Begleitung, und jeden Einzelnen dürstete es danach, sich im Kampf hervorzutun.
Guillaume kannte viele von ihnen aus der Zeit des Aufstands. Mit einigen hatte er Seite an Seite gekämpft, während andere zu den Feinden des jungen Königs gehört und im Lager seines Vaters gestanden hatten. Auf dem Kampfplatz jedoch waren Freunde manchmal Gegner, Feinde zuweilen Verbündete und Politik unwichtig. Vielen Rittern war Guillaume in Freundschaft verbunden, ganz gleich, ob Mitstreiter oder Gegner.
Der Ansturm auf die Turniere wurde in diesen friedlichen Zeiten so stark, dass nicht selten an die tausend Ritter aufeinandertrafen. Mehr als in den meisten Schlachten, wie der junge König gern aufgekratzt bemerkte.
Wie Donnergrollen klang es, als die Mêlée begann und Hunderte schwer bewaffneter Männer auf ihren Schlachtrössern aufeinander zuritten. Schon bald barsten Schilde, und Lanzen splitterten krachend. Schwerter sirrten durch die Luft. Männer wurden aus ihren Sätteln gehoben. Jubel, Kampf- und Kriegsgeschrei schwollen zu einem
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