Der Goldkocher
nickte und wies Lips mit einer kleinen Handbewegung zur Tür. Lips sah die Gesichter der Männer und wusste, dass er sein Geheimnis preisgeben musste, da platzte es aus ihm heraus: »Ich hab alles aufgeschrieben!«
»Jetzt reicht es aber!«, sagte von Haugwitz zornig. »So ein Rotzlöffel!«
»Was hast du alles aufgeschrieben?«, fragte der Apotheker in barschem Ton.
»Alles eben«, sagte Lips.
»Was heißt ›alles‹?«, fragte Pfarrer Porstmann.
»Die chymischen Materien, die Böttger benutzt hat, die Quantitäten. Wie er vorgegangen ist, auch die chymische Anleitung von Lascaris. Deswegen will ich auch Griechisch lernen. Vielleicht ist etwas daran, was ich so nicht ergründen kann.« Lips sah die zweifelnden Blicke der Männer. »Soll ich die Blätter holen?«
Haugwitz schloss den Mund. »Du meinst, du hast…«
»Lauf geschwind!«, unterbrach Pfarrer Porstmann.
Kurz darauf breitete Lips seine Abschriften auf dem Tisch in der Bibliothek aus. Die Männer griffen ungläubig nach den Blättern. Er erklärte einige Versuche, wies auf Fragen hin, die sich aus Böttgers scheinbar wirrem Vorgehen ergaben. »Der Herr Böttger hatte immer schon etwas Neues angefangen, wenn das Alte noch nicht vollbracht war. Es hat mich manchmal ganz verwirrt. Vielleicht wollte er aber auch verschiedene Fährten setzen.«
»Jetzt verstehe ich gar nichts!«, sagte Haugwitz. »Warum hätte er das denn machen sollen? War denn außer dir noch jemand dabei?«
»Nein, gnädiger Herr, nur ich. Der Herr Böttger war vorsichtig. Er hatte seine eigenen Zeichen.«
»So?« Haugwitz nahm mit skeptischer Miene einen Bogen, der mit alchemistischen Zeichen voll geschrieben war. »Das Gekritzel hier soll von diesem Lascaris sein?«
»Ja, der Herr Böttger hat es jedenfalls gesagt.«
»Was soll das denn jetzt heißen?!« Haugwitz sah Lips scharf an. »Für einen Jungen aus dem Waisenhaus führst du ziemlich dreiste Reden! Willst du damit etwa andeuten, dass Böttger ein Scharlatan ist!«
»Nein«, sagte Lips kleinlaut. »Natürlich nicht.«
»Na also! Sag, wie konntest du es abschreiben?«
»Ich hab es auf meiner Stube aus dem Gedächtnis geschrieben, gnädiger Herr. Es war ja auch nur eine Seite.«
»Du meinst…? Jetzt schlägt's dem Fass den Boden aus!«, empörte sich Haugwitz und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Der Bursche will uns zum Narren halten!«
»Warte Er einen Augenblick«, sagte Pfarrer Porstmann. »Machen wir eine Probe. Lieber Schwiegervater, wir brauchen Schreibzeug.« Der Pfarrer ging zur Bücherwand, griff ein Buch heraus und blätterte darin. »Hier, diese Seite. Lips, schau sie dir an, dann schreibst du sie nach dem Gedächtnis auf.«
Lips studierte die Seite. Es war ein wirres alchemistisches Geflecht der Beziehungen der Metalle, Salze und anderer Substanzen zueinander, dazwischen eingefügt religiöse Begriffe, von denen Lips die meisten inzwischen aus der Bibel und den Predigten von Pfarrer Porstmann kannte.
Lips sah auf die Darstellung, dann schloss er die Augen. Er wiederholte dies und imaginierte, bis er alle Einzelheiten ganz klar vor seinem inneren Auge sah. Dann blickte er alles noch einmal gründlich an, besonders die alchemistischen Zeichen, die teilweise besondere Haken hatten, und legte das Buch zur Seite. Es war ganz still, als er schrieb.
»Das ist doch nicht möglich!«, entfuhr es Haugwitz, als Lips die letzten fehlenden Haken an die alchemistischen Zeichen malte. Haugwitz nahm den Bogen und verglich alles genau mit der Abbildung in dem Buch. »Bei dem Zeichen hier fehlt ein Strich und Zinn schreibt man mit doppelten n. Aber sonst! Wie ein Kopist!«
Pfarrer Porstmann legte Lips eine Hand auf die Schulter. »Vor Gott, mein Sohn: Weiß noch jemand von den Abschriften, die du angefertigt hast?«
»Nein, niemand.«
»Was wollte Leibniz neulich? Er hatte mit dir gesprochen.«
Lips war überrascht. Der Hausknecht musste es dem Pfarrer erzählt haben! »Er wollte mich aushorchen über die Probe vom Herrn Böttger.«
»Und?«
»Ich hab gesagt, dass ich nichts von der Alchemie verstehe.«
»Gut.« Pfarrer Porstmann sah die beiden anderen Männer an. »Warte draußen, Lips. Wir rufen dich, wenn wir dich brauchen.«
Draußen schlug ihm die warme Frühlingsluft entgegen. Fetzer lag vor seiner Hütte faul auf den warmen Steinen. Nur die aufgestellten Ohren verrieten, dass er genau darüber wachte, wer im Haus ein und aus ging. Lips musste seine Aufregung bezwingen. Er hockte sich zu Fetzer und
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