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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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er ein. Haugwitz hatte so wenig chymischen Verstand und Geschick, dass er nicht einmal als Laborknecht zu gebrauchen war. Die Aufzeichnungen von Lips brachte Haugwitz nach und nach mit. Sie lagen unbeachtet herum, weil Lips sie inzwischen ohnehin auswendig konnte. Haugwitz hatte vermutlich für sich Abschriften angefertigt. Er sagte, er müsse für einige Tage auf Reisen zu Verwandten, dann gab er vor, sein Leibschneider dränge auf Probe und er selbst würde am Hofe in wichtigen Staatsgeschäften erwartet. Er war immer seltener im Laboratorium.
    Lips fühlte sich wie im chymischen Himmel. Er konnte die Versuche so anordnen, wie er sie für richtig hielt, notierte sorgfältig die Stoffe, ihre Quantitäten, Beschaffenheiten und Veränderungen während der Versuche. Kam Haugwitz mit Pfarrer Porstmann und dem Apotheker hinunter ins Laboratorium, zeigte Lips seine Aufzeichnungen, gab Bericht und beantwortete die Fragen des Apothekers, der sich alles sehr aufmerksam anhörte und schließlich dem Pfarrer zufrieden zunickte. War Haugwitz anwesend, dann hatte dieser immer das letzte Wort und sagte, das Goldkochen sei eben sehr, sehr langwierig. So etwas könne Jahre dauern und koste ein Vermögen.
    Pfarrer Porstmann kam auch einige Male alleine hinunter ins Laboratorium und brachte ein lateinisches Wörterbuch für die Worte, die Lips noch nicht kannte. Manchmal saßen sie vor dem Windofen und übersetzten zusammen die lateinischen Stellen aus alchemistischen Handschriften oder Büchern, die Pfarrer Porstmann zum Üben mitbrachte. Er hatte sichtlich Freude daran gefunden, sein Latein zu verbessern, und so probierten sie zusammen herum und verloren sich in der Zeit. Lips wusste sich nicht zu erinnern, dass er je so glücklich gewesen wäre – vielleicht damals in Arnolds Stube, als dieser ihn die ersten Buchstaben gelehrt hatte. Wie stolz war Lips, wenn Pfarrer Porstmann ihn für seine Gelehrsamkeit lobte! Wenn es so rasch weitergehe, meinte dieser anerkennend, dann könnte Lips sich bald in der Sprache der Römer unterhalten.
    An einem Nachmittag saßen sie wieder zusammen. Ein Tiegel mit Quecksilber dampfte, und zwischendurch versorgte Lips die Glut. Draußen musste ein harter, unbeständiger Wind gehen, denn die Luft wurde in Wogen in den Kamin gezogen und fraß sich begierig in die Kohlen. Lips übersetzte den letzten Satz:
    … Den zum Königtum Berufenen ist bei der Geburt Gold, den Kriegern Silber, den Gewerbetreibenden Eisen und Kupfer beigemischt.
    »Ein bemerkenswerter Satz, nicht wahr?«, fragte Pfarrer Porstmann. »Er geht auf Platon zurück, einen alten Griechen. Er sagt, Gott hat allen Kindern der Mutter Erde bei der Geburt jeweils Gold, Silber, Eisen oder Kupfer beigemischt und sie so ihren Ständen zugewiesen. So wie es in einem guten Staat ein Oben gibt, eine Mitte und ein Unten. Und jeder hat nach Gottes Willen an seinem zugewiesenen Platz zu stehen.«
    »Aber sind wir denn nicht alle vor Gott gleich?«, fragte Lips.
    »Vor Gott schon, aber nicht auf Erden.«
    »Und warum sind die Krieger in einem guten Staat in der Mitte?«
    »Die Krieger sind die Wächter eines guten Staates. Sie müssen über die göttliche Ordnung wachen, denn die Menschen achten sie nicht von selbst. Schau dich um! Du wirst allenthalben erschreckende Exempla sehen!« Pfarrer Porstmann lächelte ihn an. »Mein Sohn, wie geht es denn mit dem Laborieren voran? Nicht, dass ich dich bedrängen möchte! Ich sehe ja deinen Eifer! Was dampft in dem Tiegel?«
    »Quecksilber. Herr Pfarrer, darf ich heute dem Gottesdienst fernbleiben? Der Versuch…«
    »Sicher, mein Sohn, sicher doch. Es spricht heute ohnehin der zweite Prediger. Bete zwischendurch.«
    »Und Herr Pfarrer, ich möchte auch die Bücher studieren, die Böttger gelesen hat. Vielleicht finde ich dort etwas.«
    »Gut, schreib mir die Titel auf. Du wirst die Bücher bekommen. Ich muss nun zum Gottesdienst und unserem zweiten Prediger Mut zu sprechen. Schaffe wohl, mein Sohn.«
    Lips schrieb zuerst die Liste. Als Erstes wollte er von Heinrich Khunrath, Amphietheatrum sapientiae aeternae lesen. Es musste irgend etwas mit dem Buch auf sich haben, sagte ihm sein Gefühl. Dann verlor er sich ganz in seinen chymischen Überlegungen.
    Einmal meinte er ganz entfernt zu hören, wie Fetzer kläffte, aber nur ganz kurz. Die Glut ließ nach, und er wollte gerade Holzkohlen nachlegen, da schlug oben im Hof ein Tor. Der Wind musste mächtig gehen, wunderte er sich. Dann meinte er die Stimme des

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