Der Goldkocher
Seine Frau hatte in der Not Pfarrer Porstmann geholt, der dann in den nächsten Tagen regelmäßig mit Bibel, Kruzifix und geweihtem Wasser ins Haus kam und den Hofschneider mit geheimen Exerzitien dem Satan entrissen hatte.
Lips stand vor den Männern, die im Halbkreis saßen.
»Brüder«, sagte Pfarrer Porstmann, »ich habe unseren Adeptus Lips Arnold zu unserem Kreis gebeten, damit ihr ihn kennen lernt. Und unser Adeptus soll aus berufenem Mund hören, was es mit der Probe auf sich hat, die der Hofalchemist Dippel angekündigt hat. Bitte, wenn unser Bruder von Haugwitz jetzt über die Vorbereitungen berichtet!«
»Brüder, es ist unfassbar!« Haugwitz rutschte auf der Stuhlkante hin und her. »Die Probe soll vor dem König abgelegt werden. Alles war bisher redlich, soweit ich sehen konnte. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes sagen. Es werden noch einige Herren vom Hof geladen, auch der Herr Münzmeister von Kranz, natürlich Graf August von Wittgenstein. Der Kunkel soll auch zur Probe kommen, aber der ist ja nicht mehr aufzutreiben. Dem ist – wie ich hörte – auf seiner Pfaueninsel das Laboratorium abgebrannt. Es soll alles in Schutt und Asche liegen.« Haugwitz konnte sich ein kurzes, schadenfrohes Lächeln nicht verkneifen. »Nun ja. Kunkel wurde auf königliche Order anbefohlen, vor der Probe alle Instrumente und Materien zu visitieren. Wie es aussieht, werde ich die Aufgabe übernehmen … müssen.« Haugwitz ließ eine genüssliche Pause. »Brüder: Dippel hat zunächst die Transmutation von ganzen sieben Pfund Quecksilber in reinstes Silber angekündigt.«
»Mein Gott!«, entfuhr es Rücker und Bolich wie aus einem Mund. »Sieben Pfund!«
»Ja, Brüder. Bei diesen Mengen geht es nicht mit einem billigen Taschenspielertrick. Das Projektionspulver soll von außerordentlicher Güte sein. Es ist so wirksam, dass ein Teil davon etliche tausend Teile Quecksilber in Silber verwandeln kann. Dippel sagte mit erhobener Schwurhand, dass die Transmutatio auch von Kupfer zu Gold möglich ist. Brüder, um es deutlich zu machen: Das Arkanuum, das Dippel schon einmal hergestellt hatte, brachte es nur auf fünfzig Teile. Die Aufregung am Hof ist gewaltig.«
»Die Königin hat gleich eine Depesche an Leibniz gesandt«, sagte der Offizier der Schweizergarde. »Sie soll in großer Sorge sein, dass der Goldsegen nur für Pomp und Protz draufgehen soll. Sie hat, wie der Kammermohr berichtete, eine große Chinamisson mit Leibniz geplant. Jeder Chinese soll eine Bibel erhalten.«
»Ja, das hörte ich auch«, sagte Haugwitz. »Und Graf Wittgenstein weicht nicht mehr von der Seite von Dippel. Er hat ihn für heute Abend zum Kartenspiel geladen.«
»Und was, Bruder, kann Er über dieses Pulver sagen?«, fragte Pfarrer Porstmann. »Hat Er es gesehen?«
»Dippel hält es in einer goldenen Büchse verborgen. Es soll ein sehr feines Pulver sein. Wie gutes Mehl und tiefrot. Mehr lässt sich nicht sagen.« Haugwitz zog ein langes Gesicht. »Ausgerechnet Dippel, dieses Schandmaul, will uns zuvorkommen!«
»Wo er doch mit uns gebrochen hat!«, rief einer der Herren, den Lips nicht kannte. »Ausgerechnet Dippel!«
»Ich habe ihn unserer Gemeinde verweisen müssen«, sagte Pfarrer Porstmann. »Er gab nur noch Widerworte, wollte alles nach seiner lästerlichen Fasson disputieren.«
»Ja natürlich«, sagte Haugwitz gereizt und sah mit zusammengekniffenen Augen nach unten. »Aber so hätten wir ihn unter Bewachung. Ich meine ja nur, Brüder, dass…«
Die Herren sahen sich wie gelähmt an.
»Und jetzt?«, fragte der Offizier der Schweizergarde. »Was bedeutet das denn für uns? Wir geben große Summen hin für die Versuche, aber Gold und Silber werden an einem anderen Ort gekocht!«
Alle blickten auf Pfarrer Porstmann.
»Brüder, warten wir doch ab.« Pfarrer Porstmann ließ seinen Blick von einem zum anderen schweifen. »Gott hat mir heute Nacht im Zwiegespräch etwas zugeflüstert: Dippel ist ein Scharlatan. Ich sehe es klar vor Augen. Er wird sich selbst richten. Wir dürfen uns nicht irremachen lassen und nicht noch einmal so große Fehler begehen wie damals bei Böttger. Im Gegenteil: Dippel zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, was uns nur recht sein kann. Lasst uns weiter Geduld üben und unsere Vorbereitungen für den großen Tag treffen. Brüder, es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis alles wohl geordnet ist. Lips wird eines Tages eine Probe ablegen, aber ohne jedes Geschrei, und wir werden aus diesem Sodom eine
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