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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Vaters. »Nein, Herr Pfarrer«, sagte er schnell. »Ich hab nichts mehr zu beichten.«
    Der Pfarrer ging schweigend auf und ab. Die Stille war unerträglich. Er hatte sich Pfarrer Porstmann völlig ausgeliefert.
    »Die Sache ist verzwickt!«, sagte der Pfarrer schließlich. »Was war denn mit der Liste von Böttger? War etwas Wichtiges davon abzulesen?«
    Lips war erleichtert über den überraschend milden Ton, und er sah an dem sorgenvollen Gesicht, dass Pfarrer Porstmann nach einem Ausweg suchte. »Das weiß ich noch nicht. Einige Materien muss ich noch ausprobieren. Es ist ja eigentlich auch kein Schaden.«
    »Kein Schaden?«
    »Ich kann die Liste ja aus dem Gedächtnis nachzeichnen. Ich hab den Verlust auch nur bemerkt, weil ich mich bei einer Sache vergewissern wollte.«
    »Aber Kunkel hat die Liste!«, erregte sich der Pfarrer wieder und schüttelte den Kopf. »Gerade Kunkel! Was hat Kunkel denn alles gesagt? Wollte er dich ausspionieren?«
    »Ja, Herr Pfarrer, aber ich habe nichts gesagt.«
    »Und hat er gegen mich gesprochen?«
    »Ja, Herr Pfarrer.«
    »Drucks doch nicht herum. Was hat er denn gesagt?«
    »Er hat sich gewundert, weil Herr Pfarrer mir nichts davon erzählt hat, dass der Herr Dippel zum Hofalchemisten ernannt worden ist.«
    »Mein Gott, ist das denn wichtig!?«, brauste Pfarrer Porstmann auf. »Du wirst immer von mir erfahren, was notwendig ist. Vertraue mir doch endlich!«
    »Das will ich ja!«, sagte Lips schnell. »Was wird der Herr Pfarrer denn jetzt machen?«
    »Lass mich überlegen. Es ist schwierig. Ich anerkenne, dass du dich im Vertrauen freigesprochen hast, und ich werde dein Vertrauen achten. Es wird ein Geheimnis unter uns beiden bleiben. Ich möchte auf keinen Fall, dass unser angesehenes Haus in böses Gerede kommt. Du weißt, wie die Leute sind. Der Schaden wäre nicht abzusehen. Und es nützt uns nichts, wenn du wegen deiner schweren Lügen in den Kerker kommst.«
    »Danke«, sagte Lips und sah erleichtert auf.
    »Was ist schon irdische Gerechtigkeit!«, sagte der Pfarrer. »Schau dir die verrottete Obrigkeit an! Ein Sodom und Gomorrha ist die Stadt! Jeden Tag Maskeraden, Feueropern, Götterfeste. Die Dirnen lungern an jeder Straßenecke herum! Selbst die Kastengelder werden unterschlagen! Nein, Lips, Gott allein wird dein Richter sein, wenn du eines Tages vor seinem Thron stehst! Und ich weiß, dass Gott Milde zeigen wird, wenn du Ihm weiter lebst. Finde den Stein der Weisen, dann wird Gott dir verzeihen. Du bist Diener einer großen Sache. Im Schwarzen Adler sagst du, wohnt jetzt dein Vater?«
    »Ja, Herr Pfarrer. Aber wenn er erfährt, dass ich ihn verraten hab, bringt er mich um. Egal, wo er ist. Selbst wenn er im Kerker sitzt, dann lässt er mich umbringen. Der Rache der Kochemer entkommt niemand. Ich hab gesehen, wie sie über Safrans-Georg Gericht gehalten haben. Jeder Verräter wird…«
    »Hab keine Angst. Du bist auch kein Verräter! Es sind allerschlimmste Verbrechen, die dein Vater begeht! Vergiss das nie! Du gehst auf keinen Fall mehr zu ihm. Du bleibst hier im Haus, bis ich dir Bescheid gebe. Versprich es mir. Ich werde einen Weg finden, ohne dass ein Verdacht auf uns fällt und dein Vater nie wieder zurückkommt. Und du musst mir alles erzählen, was dir irgendwie auffällt. Jede Kleinigkeit. Lips, ich muss dir mit ganzem Herzen vertrauen können. Und du musst mir vertrauen!«
    »Ja, Herr Pfarrer.«
    »Deinen Patenonkel Arnold, den hast du wohl sehr gern gehabt. Erzähl mir von ihm.«
    »Er sah im Gesicht ein wenig aus wie der Herr Pfarrer«, begann Lips und lachte etwas. »Für Bücher hat er alles hingegeben. ›Goldsohn‹ hat er mich manchmal genannt.«

38
    Den ganzen Tag verbrachte Lips im Laboratorium und wartete voller Ungeduld. Er reinigte den Ofen, fegte den Boden und wischte die Gefäße. Als nichts mehr zu tun war, stellte er den Hocker ans Fenster und schaute dem Jagen der Wolken zu. Drüben auf dem Wochenmarkt gingen die Menschen an den Buden vorüber und besahen die Auslagen. Neidvoll beobachtete er, wie sich die Menschen begrüßten, miteinander sprachen und lachten. Warum konnte er nicht einfach so wie sie leben! Immer wieder sah er in die Richtung, aus der Pfarrer Porstmann kommen musste. Schließlich luden die Händler die Körbe und Bottiche auf ihre Karren, und die Buden wurden sorgsam verschlossen. Danach putzte Lips den Destillierapparat aus, nahm die Rohre auseinander und rieb sie blank. Am Abend klopfte es endlich, und Pfarrer Porstmann

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