Der Goldkocher
gafft hier nicht rum!«, rief er zum Gesinde. »An die… An die … die Arbeit mit euch!«
Schon rannte der dumme Heinrich zu dem Haufen mit den Ratten, griff eine, hielt sie an seinen Leib und stürmte damit an Lips vorbei durch das Tor. Dort warteten schon die ersten Bettler, die auf den abendlichen Betteltisch spekulierten. Sie traten zurück und ließen den dummen Heinrich vorbeilaufen. Ganz hinten stand wieder der Schnurrjude Levi.
Lips ging rasch hinunter ins Laboratorium, nahm wieder die Goldmünzen aus dem Beutel und überlegte. Anna brachte sich mit ihrem Schandmaul noch um Kopf und Kragen, wie Böttger es einmal vorausgesagt hatte. Lips rieb mit dem Daumen das Gold blank und überlegte. Die Münzen konnte er fein körnen und das Gold in einem Rührstab verbergen. Oder den eisernen Deckel für den Tiegel von unten so mit Wachs und Teer präparieren, dass das Gold bei großer Hitze in die Bleisuppe fiel. Es gab einige Tricks. Es war gefährlich, aber was blieb ihm übrig! Schließlich hatte Pfarrer Porstmann versprochen, dass nichts nach außen dringen würde, wenn er eine erfolgreiche Probe ablegte! Unschlüssig steckte er die Münzen wieder zurück in den Geldsack und bereitete weiter einen Versuch vor, den er nochmals nach Böttgers Aufzeichnungen nachstellen wollte. Warum stellte Böttger denn nicht seine Probe nach, die ihm hier im Laboratorium geglückt war? Gerade jetzt, wo er schon unter dem Galgen hatte ausstehen müssen! Erstmals regten sich Zweifel in Lips.
Am abendlichen Betteltisch saß dann der Schnurrjude Levi. Die Unterhaltung am Tisch ging erst über Dippel, der nach seiner erfolgreichen Goldprobe weiter untätig blieb. Lips fragte dann den Schnurrjuden, ob er Neues über Böttger wüsste. Der sagte nur, dass Wasser stände dem wohl bis zum Hals. Mehr wüsste er auch nicht, nur dass Unmengen an Lehm ins Laboratorium gebracht würden. Alles würde streng geheim gehalten.
»Der Dippel hat die Kupferstange doch auch mit Lehm beschmiert!«, rief der Viehknecht, der Lips gegenübersaß. »He, Lips! Kannst du uns erklären, wozu der Lehm braucht?«
»Nein!«, sagte Lips fest und sah in die Suppe. »Was soll ich denn davon verstehen!«
»Na, na!«, sagte der Viehknecht. »Tut jetzt so harmlos, unser Goldkocher!«
»Ich mache kein Gold!«, sagte Lips fest. »Hör auf mit dem Geschwätz.«
»Na, ich denke, dass…«
Lips langte über den Tisch, fasste den Viehknecht am Kragen und zog ihn zu sich hinüber. »Kein Wort mehr, hast du verstanden!«
»Schon gut! Schon gut!«
Als Lips nach dem Abendtisch hinaus auf den Hof ging, stand der Schnurrjude Levi an der Tür. Er machte sich an seinem Wandersack zu schaffen, und als Lips an ihm vorbeiging, raunte dieser: »Tullian schickt mich. Ich warte an der Jungfernbrücke … sechs Groschen bitte für meine Dienste.«
Lips schrak zusammen und drehte sich zu dem Schnurrjuden herum. Der sah an ihm vorbei zum Hausknecht, der noch im Hausflur stand. »Meinen untertänigsten Dank, der gnädige Herr Hausknecht!«, rief der Schnurrjude, warf sich den Wandersack über den Rücken und ging vom Hof.
Lips stieg hinunter ins Laboratorium. Der Magen krampfte sich zusammen, und er kämpfte gegen den Brechreiz an. In kleinen Schlucken trank er Kamillentee. Selbst aus dem Kerker heraus ließ ihn der Vater nicht in Ruhe! Er stieß sauer auf, kniete vor dem Eimer und versuchte flach zu atmen, da wölbte sich sein Magen, und es brach heraus. Es dauerte eine Weile, bis das Krämpfen nachließ. Lips stand auf, atmete noch einmal tief durch, dann zählte er sechs Groschen aus seinem Geldsack ab. Er verschloss das Laboratorium und machte sich auf den Weg zur Jungfernbrücke.
Der Schnurrjude Levi stand etwas abseits, damit er den Huren nicht zu nahe kam, und hielt den Vorübergehenden seine Hand hin. Lips lehnte sich daneben ans Geländer und sah eine Weile aufs Wasser. Es wehte frisch über die Spree, sodass er seinen Hut festdrücken musste. Er sammelte ein paar Steine auf.
»Hat der Herr die sechs Groschen?«, fragte der Schnurrjude leise.
»Wofür soll ich die Groschen hingeben?«, fragte Lips und ließ die Steine ins Wasser plumpsen.
»Für den Brief vom Herrn Tullian.«
»Einen Brief?«, fragte Lips verwundert, denn der Vater konnte doch nicht schreiben. »Was hab ich denn mit diesem… Wie hieß er noch?«
»Mach der Herr doch bitte keine Umstände«, sagte der Schnurrjude. »Ich soll auch das Antwortschreiben gleich wieder mitnehmen. Ich warte hier, bis der
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