Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
Vom Netzwerk:
christliche Gemüt muss so wie du empfinden«, sagte Pfarrer Porstmann. »Es ist ja schließlich dein Vater. Aber denke immer an die Menschen, an denen er sich vergangen hat, denen er Not und Elend gebracht hat! Dein Vater hatte kein Erbarmen mit ihnen! Nicht einmal mit den wehrlosen Weibern! Denke nur an mein Eheweib! Und sei gewiss: Er wird weiter rauben und morden und sich an den Weibern schändlich vergehen, wenn man ihn aus dem Kerker lässt. Er hat das böse Wesen, mein Sohn. Es ist fest in ihm, und er soll Höllenqualen leiden für seine Untaten.« Der Pfarrer stand auf und legte seine Hand auf Lips' Schulter. »Er wird ein großes Quantum für seine Sünden büßen müssen. Dein Vater hat sein Leiden verdient!«
    Pfarrer Porstmann wünschte noch eine gesegnete Nacht. Als er in der Tür stand, drehte er sich noch einmal um. »Wann können wir mit einer Probe rechnen?«
    Lips atmete tief durch und nickte. »Bald, Herr Pfarrer, bald. Da ist noch…«
    »Ja?«
    »Ich brauche Opium.«
    »Opium?«
    »Ja«, sagte Lips fest. »Böttger hat es oft bei seinen Versuchen verwendet. Ich glaube, es hat bei seiner Goldprobe danach gerochen.«
    Pfarrer Porstmann sah ihn einen Augenblick fragend an. »Gut, mein Schwiegervater ist noch in der Offizin. Komm!«
    Lips wartete vor der Tür zur Offizin und horchte, aber er konnte nichts mitbekommen. Der Apotheker reichte dann einen Arzneibrief mit Opiumpulver heraus, als wäre es selbstverständlich. Im Laboratorium holte Lips das Schreibzeug hervor.
    An Tullian.
    Hier schick ich 15 Groschen und eine gute
Goldmünze, gestempelt auf 15 Taler.
Und 25 Opiumpillen.
Das ist alles, was ich hab.
    Einen Augenblick sah er auf die Schrift, die er krakelig verstellt hatte, und überlegte noch, ob er ein L. darunter zeichnen sollte, ließ es dann aber. Er musste vorsichtig sein. Dann vermischte er das Opiumpulver mit nassem Mehl und drehte Kugeln daraus. Während er sie am Windofen trocknen ließ, überlegte er, ob er auch an Böttger schreiben sollte. Der Schnurrjude konnte den Brief sicher mitnehmen. Aber was sollte er Böttger denn schreiben? Der hatte sich doch selbst in diese Lage gebracht! Warum sollte er denn irgend etwas für ihn riskieren? Ausgerechnet Böttger! Außerdem würde der Schnurrjude für den Brief noch extra verlangen!
    Lips steckte die Opiumpillen in den Brief, versiegelte ihn mit einem Gemisch aus Wachs und Teer, dann lief er in die Nacht hinaus zur Jungfernbrücke, wo der Schnurrjude zusammengesunken am Geländer saß und schlief.
    Als Lips zurück war und über den Hof ging, blickte er, bevor er ins Gesindehaus trat, nach seiner Gewohnheit hoch zu Annas Fenster. Er sah einen flüchtigen Kerzenschein oben im Aufgang, dann in der mittleren Etage und ein kurzes Aufflackern im Erdgeschoss. Nirgends war dann ein Lichtschein zu sehen, auch in den Küchenfenstern nicht. Einen Augenblick sträubte sich Lips, dann lief er hinüber ins Laboratorium, baute das Horchrohr zusammen und schob es in den Kamin.
    »Ja … ja«, sagte die gedämpfte Stimme des Apothekers.
    Dann hörte Lips ein undeutliches Hecheln – so ähnlich, wie es damals die Hure des Vaters getan hatte. Dann war es wieder ruhig.
    »Nein, drei Groschen!« Die Stimme von Anna!
    Einige Schritte waren auf dem knarzenden Parkett zu hören.
    »Morgen Nacht kommst du wieder. Und zügel dein Schandmaul. Ich will diese Streitereien nicht. Meine Frau ist ganz aufgebracht wegen der Ratten!«
    »Jetzt bin ich auch noch schuld daran!«
    »Reg dich nicht auf! Und sei doch leise! Natürlich bist du nicht schuld daran, aber hör auf mit diesem Gerede! Du weißt, wie die Leute sind! Du bringst dich noch um Kopf und Kragen! Zeig mir noch…«
    Ein Stuhl wurde gerückt. Die Stille war unerträglich. Diese Hure! Die anderen hatten doch Recht gehabt! Und wegen ihr hatte Lips sich sogar mit dem Viehknecht geprügelt!
    »Jetzt geh schon!«, sagte der Apotheker.

42
    Am nächsten Morgen begann Lips mit den Vorbereitungen zur Probe, die Pfarrer Porstmann auf den kommenden Freitag angesetzt hatte. Er war stark übernächtigt. Während er die Goldmünzen zu feinen Spänen rieb, kreisten seine Gedanken um Anna. Immer wieder Anna! Nach dem Überfall war sie wirklich zur Hure geworden! Als Nächstes röstete er die Goldspäne mit Holzkohlen, Salpeter und Berliner Blau, sodass sie schwarz-bläulich anliefen. Dieser verfluchte Apotheker! Lips musste etwas herumprobieren, bis die Goldspäne die Farbe von Blei annahmen. Erschlagen sollte man den

Weitere Kostenlose Bücher