Der Goldkocher
Apotheker, diesen alten Bock, der so fromm tat! Zuletzt stieß er ein rotes Pulver aus einer Scherbe Goldrubinglas und vermischte es mit Heilerde. Er blickte auf den Destillierapparat mit den Rohren. Nein, er wollte nichts mehr von der Hurerei mitbekommen und schwor sich, das Horchrohr nicht mehr zu benutzen.
Die Woche bis zum Freitag wollte nur langsam vergehen. Immer wieder flogen Lips Zweifel an, ob er wirklich die Probe ablegen sollte, aber immer wieder sagte er sich, dass er Pfarrer Porstmann vertrauen musste, und machte sich daran, große Nägel zu biegen und breit zu schlagen, sodass er Diebesschlüssel daraus feilen konnte, wie er es bei den Banditen in der Grabich-Schenke beobachtet hatte. Nach der Probe, überlegte Lips beim Feilen, wollte er um einen Laborknecht bitten, damit es rascher voranging.
Tief in der Nacht schlich Lips über den Hof und kniete vor der Tür der doppelt gesicherten Materialkammer, zu der nur der Apotheker einen Schlüssel hatte, und probierte die falschen Schlüssel aus. Er schlich immer wieder zwischen dem Laboratorium und der Materialkammer hin und her und feilte so lange, bis es ihm schließlich gelang, die Schlösser auf- und zuzuschließen. Weil er dem Schnurrjuden Levi nicht wieder begegnen wollte, ließ er sich in diesen Tagen das Abendbrot hinunter ins Laboratorium bringen, und nur manchmal ging er kurz hinüber auf den Wochenmarkt, wobei er sich immer wieder umschaute, dass der Schnurrjude ihn nicht doch an irgendeiner Ecke abfing.
Am Abend vor der Probe kam Pfarrer Porstmann ins Laboratorium und erzählte davon, dass Dippel wieder in der Stadt sei. Er wäre schon weit über die Grenze gewesen, die Dragoner hätten ihn nicht mehr rechtzeitig erwischt. Der König habe ihn jedoch mit einem Bildnis von sich selbst zurückgelockt, dessen Rahmen mit Diamanten besetzt wäre. Alle Mittel, die Dippel für die Einrichtung des Laboratoriums und für seine Lebenshaltung verlangt habe, würden nun großzügig bewilligt. Und Dippels Haus stehe unter Bewachung.
»Die Herren in unserer Gemeinde sind wegen Dippel wieder sehr besorgt, und ich habe sie nur damit beruhigen können, dass ich deiner Kunst vertraue und es schon bald ein deutliches Zeichen geben werde.« Pfarrer Porstmann sah Lips zuversichtlich an. »Nach deiner Probe wird das Drängen nachlassen!«
Als Lips wieder alleine war, blätterte er in einigen alchemistischen Schriften und las da und dort. Sobald Ruhe im Haus eingekehrt war, schob er das Horchrohr in den Kamin – was er in den letzten Tagen unterdrückt hatte – und vergewisserte sich, dass auch niemand in der Bibliothek war. Er horchte eine Weile, dann nahm er ein Talglicht und das Gefäß mit den blau-schwarz präparierten Goldspänen. Im Schutz der Nacht schlich er hoch zur Materialkammer. Seine Hände zitterten ein wenig, und immer wieder sah er sich um. Er musste einige Male probieren, bis beide Schlösser geöffnet waren, dann huschte er hinein. Er schlug das Licht an. Rechts hinten in der Ecke waren die Vorräte an chymischen Materialien. Lips leuchtete das Regal ab und hörte, wie der Bluthund vor der Tür nach ihm winselte. Da war das Gefäß mit der Aufschrift Plumbum, Bleispäne. Er hob den Deckel und leuchtete hinein. Es war halb gefüllt. Er nahm sein Gefäß mit den präparieren Goldspänen und mischte sie sorgsam unter die Bleispäne. Schnell stellte er das Gefäß zurück und schlich aus der Materialkammer.
***
Pünktlich zum zehnten Schlag der Kirchturmuhr kam am nächsten Morgen Pfarrer Porstmann mit den engsten Vertrauten hinunter in das Laboratorium und stellte sich mit ihnen im Halbkreis um den Windofen: der Apotheker, Herr von Haugwitz, Hofschneider Bolich, Herr Rücker, der Inspektor der königlichen Porzellankammer, dann die zwei Herren, die Lips das letzte Mal gesehen hatte, deren Namen er aber nicht kannte, sowie der Offizier der königlichen Schweizergarde.
Lips hatte alle Instrumente auf dem Tisch bereitgelegt. Pfarrer Porstmann sprach ein Vaterunser und erbat den göttlichen Segen. Die Männer sprachen im Chor ein Amen und sahen dann mit gespannten Mienen zu, wie der Apotheker vorab sorgfältig die Instrumente, Materialien und Gefäße überprüfte, wie er es damals auch vor Böttgers Probe getan hatte. Er fasste nach dem Rührstab, prüfte ihn, klopfte damit auf die Tischkante und horchte auf den Klang, dann reichte er den Rührstab an Haugwitz weiter, der ihn ebenfalls untersuchte. So ging es mit allem weiter. Zum Schluss nahm
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