Der Goldkocher
nichts mehr!«
»Wovon sprichst du?« Frieder zog die Augenbrauen zusammen. »Was denn für ein Mädchen?«
»Die Anna, wir wollten heiraten. Bei dem Einbruch habt ihr euch an ihr vergangen. Und ihr habt ihr das Gesicht zerhauen.«
»Du meinst das Mädchen, das ins Haus kam?«
»Ja, das ist meine Anna.«
»Wir sollen uns an der vergangen haben?«, fragte Frieder unwillig. »Blödsinn! Denkst du, wir hatten noch Zeit zu so was! Außerdem haben wir sie nur geknebelt und ihr den Sack über den Kopf gesteckt. Wir haben die nicht angerührt!«
»Nein, Frieder! Du willst dich jetzt rausreden. Lass mich in Ruhe. Von wegen Ehre! Ich hab nichts mehr mit euch zu schaffen!«
Frieder blickte nachdenklich vor sich hin. »Das muss der Pope gewesen sein.«
»Wie? Was redest du da!?«
»Wir waren das nicht! Dieser Prostmann muss dein Mädchen rangenommen haben.«
Lips blieb der Mund offen stehen, und er musste sich einen Augenblick sammeln. »Wie kommst du denn darauf?«
»Der Pope ist doch vorne gleich rein ins Haus, als wir noch hinter dem Hoftor standen. Wir haben gewartet, bis der drin war.«
»Nein, nein, Frieder!« Lips musste sich bezwingen, dass er nicht losschrie. »Rausreden willst du dich! Ich durchschaue dich! Du willst mich gegen den Pfarrer aufbringen! Es war Gottesdienst, und Pfarrer Porstmann hat gepredigt.«
»Ist mir auch egal! Mach wegen dem Weibsstück nicht so ein Aufheben! Außerdem erklär mir mal, was Tullian mit diesem Popen zu schaffen hatte? Die Sache stinkt mich immer mehr an!«
»Was meinst du denn jetzt schon wieder!?«
»Der Pope war doch im Schwarzen Adler. Ich hab's mitgekriegt, zufällig, wie der die Treppe runtergekommen ist.«
Lips zuckte zusammen. Frieder musste mitbekommen haben, dass Pfarrer Porstmann mit dem Wirt vom Schwarzen Adler gesprochen hatte. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Lips und drehte sich weg. »Nein, nichts hab ich mehr mit euch zu schaffen.«
»Du bist ein Kochemer!«, hörte er noch die warnende Stimme von Frieder, als er davoneilte.
Auf dem Vorplatz vor dem Schloss war gerade die Wachablösung der Schweizergarde. Lips erkannte aus der Ferne den Offizier wieder, der an der Goldprobe teilgenommen hatte, und sah, wie dieser die militärischen Zeremonien überwachte. Lips drängte sich durch die Menschen, die dem Schauspiel zuschauten. Auf der Langen Brücke blieb er einen Augenblick stehen und sah ins Wasser. Er würde Frieder so nicht loswerden, wusste er. Lips blickte zurück zum Vorplatz des Schlosses, wo er Frieder jetzt hinter den Menschen stehen sah. Er musste sofort mit Pfarrer Porstmann sprechen und eilte zurück.
Er ging sofort im Haupthaus den Aufgang hoch. Als er auf der ersten Etage war, hörte er undeutlich die schrille Stimme der Frau des Apothekers. Lips blieb einen Augenblick stehen, verstand aber nichts und ging weiter hoch. Oben klopfte er. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, und er sah in das Fischgesicht der Frau Pfarrer.
»Entschuldigung, ich möchte den Herrn Pfarrer sprechen.«
Die Tür ging für einen Augenblick wieder zu, dann öffnete Pfarrer Porstmann. Er sah Lips verwundert an, trat in den Flur und zog die Tür hinter sich zu. »Nun, mein Sohn?«
»Es ist etwas passiert«, sagte Lips leise.
Von unten klangen heftige Streitworte. Die Streitenden mussten jetzt nahe der Wohnungstür sein, denn die Worte wurden deutlicher.
»Hast du den Stein gefunden?«, fragte Pfarrer Porstmann.
Lips sah, wie der Pfarrer mit einem Ohr nach unten horchte. »Nein, Herr Pfarrer«, flüsterte er. »Es ist wegen Frieder, der Bandit, der damals mit meinem Vater hier eingebrochen hat. Er ist hier aufgetaucht und hinter mir her. Ich weiß nicht, was ich…«
Unten wurde die Tür aufgestoßen. »Aus dem Haus, du Hexe!«, schrie die Zornin. »Raus, du giftige Schlange!«
Die Tür fiel krachend zu, und die Stimmen der Streitenden schlugen weiter gegeneinander. Auf der Treppe klangen rasche Schritte. Anna kam mit gesenktem Kopf die Treppe hoch und schreckte zusammen, als sie Pfarrer Porstmann mit Lips im Flur stehen sah. Sie war bleich wie teure Kreide und eilte grußlos hoch zu ihrer Dachkammer. Der Streit ging unten weiter. Das Ehepaar musste weiterhin nahe der Wohnungstür stehen. Lips meinte ›Lästerzunge‹ und ›herausschneiden‹ zu hören.
Pfarrer Porstmann war der Streit sichtlich unangenehm. Er fasste Lips an der Schulter, öffnete die Wohnungstür und führte ihn in einen düsteren Flur. »Warte hier!«, sagte er leise.
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