Der Goldkocher
»Meine Frau hat ihr Kopfgrimmen!« Er verschwand in einem Zimmer. Lips war das erste Mal in der Wohnung des Pfarrers. Alle Türen im Flur waren zu. Nur die kleinen Glasfenster in den Türen gaben ein Dämmerlicht. Von unten klangen die Stimmen der Streitenden nur noch dumpf herauf. Nach einer Weile winkte ihn Pfarrer Porstmann in ein Zimmer. Es war die Studierstube des Pfarrers. Die Wände waren sauber geweißt, und in den Regalen stapelten sich Bücher und beschriebene Blätter. Über einem Schreibpult hing ein einfaches Holzkreuz, daneben eine kleine Zeichnung der alchemistischen Festung.
»Nun erzähl!«, sagte Pfarrer Porstmann. »Was ist mit diesem Frieder?« Er bot Lips einen Schemel an und setzte sich auf ein schmales Bett, das hinter der Tür stand.
Lips erzählte von der Begegnung mit Frieder und dass dieser verlangte, Lips solle auskundschaften, wo das Geld des Apothekers verwahrt wurde. Frieder brauche dringend Geld und wolle nochmals einbrechen.
»Und? Was hast du ihm gesagt?«
»Dass er mich endlich in Ruhe lassen soll und ich mit den Kochemern nichts mehr zu tun haben will.«
»Gut, aber so einfach ist das nicht! Da ist noch etwas, ich spüre es! Sprich dich frei. Dein Herz wird danach leichter sein.«
Lips war der Hals kratzig, und er räusperte sich. »Frieder hat damals etwas mitbekommen, als der Herr Pfarrer in den Schwarzen Adler gegangen ist, damit der Wirt den Vater vor der Visitation warnte.«
»Was hat dieser Frieder denn gesagt?«
»Dass Herr Pfarrer die Treppe hinuntergekommen war, oben, wo mein Vater sein Zimmer hatte. Frieder hat versucht, den Herrn Pfarrer gegen mich aufzustacheln. Er sagte, der Herr Pfarrer wäre bei meinem Vater gewesen.«
Pfarrer Porstmann atmete tief durch. »Immer noch dieses Gift, das Dippel in dich gepflanzt hat!«
»Nein, Herr Pfarrer, ich sag doch nur, was Frieder erzählt hat.«
»Gut! Denn was hätte ich mit deinem Vater zu besprechen gehabt? Mit einem der schlimmsten Banditen auf Gottes Erde! Nein, oben war ein leeres Zimmer, da haben der Wirt und ich uns besprochen.« Unten schlug eine Tür, und der Pfarrer horchte einen Augenblick. »Der Wirt wird nichts preisgeben, da bin ich sicher, aber es darf auf keinen Fall ein böses Gerede aufkommen. Und Lips, wir beide müssen zusammenhalten! Gerade jetzt! Hat dieser Frieder noch etwas über deinen Vater erzählt?«
»Er hat bei der Folter nicht standgehalten und ein paar Banditen verraten.«
»Und sonst? Gibt es noch etwas, was du mir berichten musst?«
Lips dachte an die ungeheuerliche Verdächtigung, die Frieder noch ausgesprochen hatte. »Nein«, sagte er und wich seinem Blick aus. Ihm fiel ein Buch auf, das auf dem Schreibpult lag und aus dem einige Lesezeichen ragten. Der Hexenhammer konnte Lips auf dem Buchrücken lesen. Arnold hatte einmal von diesem Buch erzählt. ›Der Satan persönlich hat die Feder geführt‹, hörte Lips noch die warnende Stimme von Arnold. Es ging in dem Buch um den Hexenglauben.
Pfarrer Porstmann überlegte eine Weile. »Ist dieser Frieder allein?«
Lips nickte. »Er wohnt im Schwarzen Adler. Nur eine Hure hat er bei sich.«
»Lips, ich weiß noch nicht, was ich machen werde, aber mit Gottes Rat und Hilfe werde ich einen Weg finden, ohne dass wir Schaden nehmen. Und du kümmerst dich nur noch um das Goldkochen. Lass uns noch das Vaterunser beten. Sprich du zum Herrn. Es wird ihn erfreuen.«
44
Mit großer Ungeduld wartete Lips auf Pfarrer Porstmann. Erst am Tag darauf kam dieser hinunter ins Laboratorium. Er war in großer Eile und sagte, er wolle ihn nur beruhigen, dieser Schwarze Frieder würde Lips nicht mehr lästig fallen. Zu gegebener Zeit werde er Lips alles erklären, er solle Vertrauen haben. Mit frischer Zuversicht machte Lips sich daraufhin an eine neue Versuchsanordnung mit Salpeter, Quecksilber und feurigem Schwefel. Und wenn er an den Vater denken musste, dann rief er die alten Bilder von Anna in Erinnerung, wie sie früher ausgesehen hatte, und er träumte sich in Liebesszenen hinein. Seit dem Streit mit der Magd hatte er sie noch einmal gesehen, als sie mit hartem Schritt hinüber ins Waschhaus ging. Danach nicht mehr.
Einige Tage darauf standen der Viehknecht und der Kutscher in der Stalltür und sahen hoch zum Dachfenster von Anna. Lips fragte, was es denn da oben zu gaffen gäbe.
»Die Anna, die kommt nicht mehr aus ihrer Kammer«, sagte der Viehknecht mit gedrückter Stimme. »Die lässt nur noch den Pfarrer rein, seit sie die Treppe
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