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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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abgehauen! Der muss noch gelebt haben.«
    »Unmöglich. Der war doch schon kalt!«
    »Was denn sonst! Wer klaut denn schon 'ne Leiche? Da ist doch jeder froh, wenn er sie nicht unter die Erde bringen muss. Hier das Seil und das Stroh! Der hat sich rausgewickelt.«
    »Und was ist mit dem Weibsmensch?«
    Einen Augenblick war es ruhig. Lips drehte den Kopf zur Seite, weil ihm die Nase zugeschwollen war und er keine Luft unter der Hand des Mannes bekam.
    »Hier, die ist leichenstarr. Ist das denn die Marie?«
    »Was weiß ich, glaub schon. Aber wo ist der Junge hin?«
    »Hier ist er jedenfalls nicht. Der kann nicht weit gekommen sein.«
    »War denn das Tor offen?«
    »Nein, aber nicht abgeriegelt. Der wird draußen irgendwo im Schnee liegen.«
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst immer den Riegel vorlegen. Es treibt sich allerhand Gesindel und entlaufenes Soldatenpack in der Gegend rum. Schau oben auf dem Heuboden nach.«
    »Wie soll der denn die Leiter hochgekommen sein!«
    »Jetzt mach, was ich dir gesagt hab.«
    Schritte waren in ihrer Nähe zu hören. Die Hand des Mannes presste Lips den Mund zu.
    »Bauer! Hier oben ist nichts! Lass uns die Leiche wegbringen.«
    »Stoß mit der Gabel ins Heu.«
    »Nee, Bauer, da ist nichts.«
    »Noch da hinten beim Stroh!«
    Lips rang nach Atem und zog etwas Luft durch die Finger.
    »Nein, da ist niemand. Ich sag doch, der ist abgehauen.«
    »Dann komm runter. Wir müssen schnell machen. Ich spann den Gaul an, und du suchst alles ums Haus ab. Vielleicht liegt er irgendwo in der Nähe. Ich will kein Gerede, verstehst du! Wir müssen uns beeilen. Es wird bald dunkel.«
    Lips hörte Schritte, die sich entfernten, dann ein »Hooh … hopp!«, und ein Tor wurde knarrend aufgeschoben. Etwas mehr Licht drang in die Höhle, und Lips sah die Umrisse des Mannes deutlicher, der sich über ihn beugte.
    »Leise!«, flüsterte der ihm ins Ohr. »Wenn die Hunde dich erwischen, fahren sie dich in der Gegend rum, bis du krepiert bist. Hast du mich verstanden?!«
    Lips nickte, dann nahm der Mann die Hand von seinem Mund. Er atmete tief durch und sah, dass der Mann, der einen Soldatenrock trug, sich zum Eingang der Höhle vorbeugte und hinunterspähte.
    »Ist weg, das Höllen-Geschmeiß! Aber keinen Muckser! Wenn sie mich erwischen, dann schicken sie mich durch die Spießruten. Hab selbst schon bei einem Kamerad draufschlagen müssen, den sie eingefangen hatten. Ich sag dir, das war…«
    Lips fielen die Augen zu. Einmal spürte er, wie der Soldat ihn hochnahm und ihm wieder Branntwein einflößte. Es brannte, als würde er kochendes Wasser trinken. Er verschluckte sich, sein Körper wurde vom Husten geschüttelt, als wollte es ihn zerreißen.
    »Leise, verdammt noch mal!«, zischte der Soldat. »Wenn die mich erwischen! Die hauen mir so den Buckel voll, ich sag dir, da…«
    Lips war im Taumel und wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war, wenn er erwachte. Irgendwann ging die Hitze in seinem Körper wieder zurück. Als er erneut die Augen öffnete, beobachtete ihn der Soldat. »Na also. Hatte schon richtig Angst um dich. Dachte manchmal, du stirbst mir noch weg nach der ganzen Plackerei. War ganz schön schwer, dich die Leiter hochzukriegen.«
    »Wer…?« Lips schmerzte der Hals, als er zwischen den Worten den Speichel hinunterschluckte. »Wer bist du?«
    »Ein Christenmensch«, sagte der Soldat ganz ernst und spähte vorsichtig hinunter zum Scheunentor. »Das wird mir der Herrgott hoch anrechnen mit dir, wenn ich eines Tages vor ihm stehe. Will ich jedenfalls hoffen. Sag, wer bist du? Woher kommst du?«
    Lips versuchte sich etwas aufzurichten und überlegte, was er antworten sollte. »Ich muss pinkeln.«
    »Hier, in die Flasche. Hab nichts anderes. Jetzt sag schon: Wie heißt du?«
    »Lips«, sagte er und zog sich hin und her schaukelnd die Hose ab.
    »Merkwürdiger Name. Und weiter?«
    Lips überlegte einen Augenblick.
    »Na, was denn nun? Du musst doch wissen, wie du heißt!«
    »Arnold.«
    »Und weiter? Wie ist dein Vatername?«
    »Nichts weiter. Lips Arnold.«
    »Lips, ein komischer Name.« Der Soldat sah ihn fragend an. »Bist Bettelgesindel, was? Stiehlst dich durchs Leben.«
    Lips zielte in die Flasche. »Nein, ich bin kein Dieb!«
    »Jeder stiehlt mal, kannst du ruhig zugeben. Aber du bist doch getauft?«
    »Doch, doch, ich bin getauft«, sagte Lips schnell und musste daran denken, wie Arnold immer wieder lachend von der Tauffeier am Tag seiner Geburt erzählt hatte, bei der der Vater Lips

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