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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Branntwein über den Kopf geschüttet hatte und er in Windeln aus kostbarem Altartuch, das von einem Kirchenraub stammte, gewickelt worden war. Arnold, sein Taufonkel, konnte sich ganz genau daran erinnern – auch wenn ihm über das Hantieren mit Quecksilber das Gedächtnis vergangen war. Denn er war an diesem Tag als Einschmelzer für das gestohlene Gold und Silber zur Bande des Vaters gestoßen. Als Taufgeschenk hatte dieser von Arnold eine Silberschnalle abverlangt – die Schnalle, mit der der Vater dann später Lips' Gesicht zerfurcht hatte.
    »Getauft bist du also?«, fragte der Soldat. »Und welche Religion? Mein Gott, hör schon auf!« Verärgert blickte er auf die Flasche. »Die ist ja voll! Und wo soll ich jetzt reinpissen, ha?«
    Lips ließ die Augen zufallen und blieb die Frage schuldig. Kurz vor Morgengrauen schlich der Soldat hinunter und kam mit einem Krug frischer Milch zurück. Er holte Brot aus seinem Wandersack und krümelte es hinein.
    »Lass uns vorher dem Herrn danken!«, sagte der Soldat und hockte sich auf die Knie. »Sprich du ein Gebet!«
    »Ehm…«
    »Na?« Der Soldat sah ihn prüfend an und schwieg eine Weile. »Also doch! Kennt kein Gotteswort! Hab's mir schon gedacht! Bist doch ein Heide! Dann nutzen wir die Zeit und machen wir einen Christenmenschen aus dir. Fangen wir zuerst mit dem Vaterunser an. Das wird mir der Herrgott hoch mit dir anrechnen, dass ich dich auch noch bekehre! Also, dann sprich mir nach.«
    Lips verschlang nach der ersten Lektion das Festessen, obwohl ihm jeder Schluck weh tat, und schlief satt ein. Bevor er die nächste Breipampe bekam, lernte er als Erstes, die zehn Gebote herzusagen. So ging es einige Male. Lips erfuhr, dass der Soldat seinem Regiment entlaufen war, als sie in einem Dorf Steuerforderungen eintreiben sollten, und jetzt war er auf dem Weg zu einer Brüdergemeinde im Süddeutschen. Allmählich kam Lips wieder zu Kräften, das Fieber ging zurück, und er wusste inzwischen einige Kirchenlieder herzusagen.
    »Dir braucht man alles nur einmal hersagen!«, staunte der Soldat. »Hab so was noch nicht erlebt! Saugst alles auf wie Muttermilch! Das wird deine Sehnsucht nach Gott sein.«
    »Was ist mit meiner Mutter?«, fragte Lips.
    »Deine Mutter war das? So, hab ich mir schon gedacht.« Der Soldat schwieg eine Weile. »Nichts war mehr mit ihr. Sie war so tot, wie man nur tot sein kann. Verfluchtes Höllenpack hier! Na ja, die haben hier selber nichts, fressen nur Rüben. Jeden Tag Rüben! Muss man auch verstehen.« Er lachte Lips verlegen an. »Vielleicht ist sie ja schon im Himmel, deine Mutter. Bestimmt sogar!«
    »Vielleicht«, sagte Lips, aber er glaubte nicht daran.
    »Hee!« Der Soldat stieß Lips aufmunternd an. »Blas doch nicht Trübsal. Ist nicht schlecht, da oben im Himmel. Da hat deine Mutter Musik den ganzen Tag, Schalmeien und Trompeten und so, zu fressen und zu saufen gibt's in Hülle und Fülle. Du kannst den ganzen Tag spazieren gehen. Die Weiber laufen nackicht rum.« Er lachte verschmitzt. »Das hab ich mal auf einem Altarbild gesehen. Und alles ohne Geld da oben. Du solltest dich auch beizeiten um dein Sündenregister kümmern! Hinterher ist das Jammern groß. Ich hör's schon!«
    Der Soldat legte die Hände auf den Kopf und hob die Stimme. »Herrgott, hab ein Erbarmen! Wir haben nicht gedacht, dass es in der Hölle so schlimm ist! Ja, ja, aber zu spät, sag ich dir! Viel zu spät, wenn du erst mal da unten bist. Was meinst du, was dich da unten erwartet! Ein Gestank überall, die Teufel laufen in schwarzen Mänteln rum und treiben einen mit Peitschen vor sich her. Alles jammert und schreit. Die lassen einen gar nicht zur Ruhe kommen, geschlafen wird überhaupt nicht. Du sitzt in heißem Pech oder 'nem Bottich voll mit Scheiße.«
    Mit der Hand strich er unter sein Kinn. »Bis hierhin steht dir das Zeug! Kriegst auch nichts zu fressen. Am meisten müssen die büßen, die sich selbst gemordet haben. Das ist das größte Verbrechen, das man gegen Gottes Schöpfung begehen kann. Die Selbstgemordeten hängen sie über glühenden Rosten an den Füßen auf, die werden von Würmern zerfressen. Die Teufel zwicken sie mit feurigen Zangen und die Höllenhunde, die reißen denen die Arme aus.«
    »Aber nach der Buße kommt man in den Himmel?«, fragte Lips und sah vor seinem inneren Auge, wie er die Tür zu Arnolds Stube öffnete und dieser leblos am Fensterkreuz hing: Die Arme hingen schlaff, das Kinn lag auf der Brust, und die Zunge war blau

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