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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Plötzlich sah er den Stiefel des Vaters, der die Buchstaben seines Namens, die Lips in den Erdboden geschrieben hatte, durchfurchte, und der Böhmische Hans verzerrte sein Gesicht zu einer Fratze, weil die Daumenschraube vom Rost klemmte.
    ›So etwas macht ein Vater doch nicht!‹, sagte Lips sich immer wieder und rieb seine Augen, bis das Bild vertrieben war. ›Das sind doch keine Menschen!‹, hörte er Arnolds Stimme. Die Mutter saß angetrunken auf dem Holzstoß mit einer Flasche in der Hand und rief, dass die Kochemer sich doch aufeinander verlassen mussten. ›Bis aufs Blut… Blut… Blut‹, echote ihre breite Stimme, ›sonst geht's uns so wie Safrans-Georg, diesem Verräter! Der Kapphans hat doch nicht standgehalten und die Soldaten auf uns gehetzt. Den Tullian haben die Wittischen doch auch auf der Folterbank gemartert, und der hat nichts und niemand verraten. Nie nicht! Der kann eben was ab! Das muss Tullian doch wissen, ob einer was abkann! Sonst zieht er doch alle mit ins Unglück, wenn er nicht hart gegen die Tortur ist. Das musst du doch verstehen! Und aufgepasst hast du beim Wachestehen doch nicht! Hast wieder rumgekrakelt, was?‹ …
    ***
    Manche frühe Morgenstunde lag Lips wach da. Wütend warf er sich von einer Seite auf die andere und wartete auf die Helligkeit; er fühlte sich wie gemartert und sehnte sich danach, dass endlich die Gesindeglocke schlug und das erlösende Tagwerk begann. In den nächsten Tagen beobachtete er Böttger. Er fieberte darauf, mit ihm über Alchemie ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was Böttger im Laboratorium machte. Er suchte dessen Blick, aber der beachtete ihn nicht weiter, schien auch ganz in Gedanken und ließ ihn ein paarmal grußlos stehen.
    Nach einiger Zeit durfte Lips dann Botengänge machen, worauf er sich besonders freute, denn dazu musste er den Sonntagsrock und die guten Laufschuhe anziehen und konnte so die Stadt, an deren Pracht und pulsierendem Leben er sich nicht satt sehen konnte, erkunden. Mal trug er eilige Arzneien für hohe Herrschaften aus oder auch Klistierspritzen für hysterische Damen, und er wartete dann am Eingang für die Dienstboten, bis die leere Spritze wieder herausgereicht wurde.
    Auf dem Rückweg von den Botengängen machte Lips durch die Stadt wohl kalkulierte Umwege, sodass er nicht über die Zeit kam. Er bestaunte die Stadtpaläste, die sich gegenseitig mit protzendem Zierrat überboten, und auch das riesige Schloss mit den prächtig gekleideten Wachsoldaten davor, die mit ihren langen, wippenden Hutfedern und zweimannshohen Hellebarden feierlich auf und abschritten. Oder er konnte sich nicht satt sehen an den Auslagen der Schaubuden auf den Wochenmärkten. Er roch das duftende feine weiße Brot und die frischen Wecken. Er befühlte die Klingen der Messer, und besonders oft stand er an der Bude eines französischen Krämers, der fein geschöpfte Papierbögen, Tinte, Federkiele und Siegellacke zu unerschwinglichen Preisen feilbot.
    Einen Nachmittag waren vom Schlachthof frische Rosswarzen abzuholen, die getrocknet und als Zutat für Arzneien gemörsert wurden. Froh gestimmt über den Ausgang pfiff er vor sich hin und trat mit dem Eimer wieder auf die Gasse, da sah er eine Schweineherde, die zur Schlachtbank getrieben wurde. Ein Schwein witterte den Blutgeruch und wollte in Todespanik ausbrechen. Der Schweineschneider sprang ihm nach und riss es am Ohr zurück. Das Schwein quiekte gequält auf. Lips sah, wie es herumgerissen wurde. Das langgezogene Quieken schrillte in seinem Ohr. Schlagartig stürmte eine Bilderflut auf ihn ein. Es wütete in ihm und kam mit ungeheurer Wucht. Er ließ den Eimer fallen und drehte sich weg. Er presste die Ohren zu, plötzlich war die Ohnmacht da, die ihm die Kehle zuschnürte; der Vater ging voraus, es durchpulste ihn heiß, er wollte um Hilfe schreien, war aber wie gelähmt und brachte keinen Laut heraus. Prager riss ihn an der Jacke und lachte mit seiner hochtönenden Stimme lauthals hinter Tullian her…
    Es dauerte eine Weile, bis Lips sich wieder besann. Ein kleiner Junge stand gegenüber in einem Hauseingang und sah ihn mit ernsten Kinderaugen an, als wüsste er von der lähmenden Pein, die ein Vater einem beibringen konnte. Als Lips die Rosswarzen einsammelte, sprang der Junge hinzu, und während er ihm half, sah er Lips fragend an, dann stellte er sich wieder zurück in den Hauseingang. Mit schnellen Schritten ging Lips weiter.
    Abends wurde dann am Gesindetisch der Tratsch und

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