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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Knechte davon, dass Böttger nachts in dem verschlossenen Laboratorium im Keller herumpanschen würde.
    »Dieses Großmaul!«, sagte der Viehknecht mit gedämpfter Stimme. »Spielt sich als Goldkocher auf. Der will doch tatsächlich aus Kupfer richtiges Gold machen! Ausgerechnet der sucht diesen Stein!«
    »Das soll gar kein Stein sein, sondern ein rotes Puder«, sagte Bohne.
    Lips horchte gespannt auf und musste sich zur Ruhe zwingen. Böttger suchte den Stein der Weisen!
    »Der Böttger fängt alles an und bringt nichts zu Ende!«, sagte Bohne.
    »Und lässt die anderen für sich schuften!«, sagte der Viehknecht. »Jedenfalls ist der Apotheker ziemlich schlecht auf Böttger zu sprechen, weil die Panscherei an die Geldbörse von dem Geizhals geht. Der Böttger hat noch einen Versuch, hat die Waschmagd mitbekommen. Dann ist Schluss, hat der Apotheker gesagt.«
    So sehr es Lips auch drängte, mehr über das Goldkochen zu erfahren, so verkniff er sich jede Frage, weil er fürchtete, dann wieder von ihnen ausgefragt zu werden, und er ließ die beiden weiterreden.
    »Böttger darf auch nur noch nach Feierabend rumpanschen, tagsüber muss er in der Offizin sein.«
    »Aber stell dir mal vor, das Großmaul findet wirklich Gold! Was meinst du, was hier dann los ist! Dann braucht keiner mehr rumbuckeln, hat Böttger selbst gesagt. Wie im Paradies wird's. Jeder kann sich einen Knecht nehmen. Zuerst kauf ich mir ein Haus, und dann suche ich mir ein Weibsmensch. Eine, die was hermacht. So wie die Anna.«
    »Für die brauchst du auch 'nen vollen Geldsack. So eine wie die gibt sich doch nicht mit dir ab! Guck dich doch an: Mit dir ist doch kein Fortkommen! Außerdem wird hier gar nichts los sein! Wenn Böttger Gold findet, dann haut der doch ab! Der teilt doch nicht mit dem Apotheker! Und mit uns schon gar nicht! Ich sag dir eins: Wir bleiben, was wir sind! Der letzte Dreck! Du bleibst immer, was dein Vater war: nämlich Dreck! Der Sohn von 'nem König wird König, der vom Schmied wird Schmied, und Dreck bleibt Dreck!«
    »Hab keinen Vater«, sagte Bohne kleinlaut. »Weiß nicht, was das für einer war.«
    »Sag ja, der war Dreck! Sonst wüsstest du doch, wer deine Mutter rund gemacht hat. Für so einen wie dich kann's doch immer nur nach unten gehen! Fragen wir doch mal unseren Lips. Vielleicht spricht der Herr Armenhäusler ja inzwischen mit uns! Heeh, Lips, was ist denn dein Vater?«
    Lips räusperte sich. »Schnallenmacher.«
    »Jetzt spricht der wieder so leise!«, sagte Bohne. »Hast du was verstanden?«
    »Nee!«
    »Schnallenmacher!«, sagte Lips mit fester Stimme. »Mein Vater war Schnallenmacher.«
    »Und warum bist du nicht Schnallenmacher geworden?«
    »Ich war noch zu klein, als er gestorben ist.«
    »Und was würdest du als Erstes vom Gold kaufen?«, fragte der Viehknecht.
    »Jetzt lasst mich endlich schlafen«, sagte Lips gereizt und zog das Bettstroh über die Ohren. Zuerst würde er zu dem französischen Krämer drüben auf dem Wochenmarkt laufen und Schreibzeug kaufen: viele Bögen von dem feinen Papier, Tinte, gute Federkiele und dann Bücher, ja, viele, viele Bücher.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass du nichts aus dem rauskriegst!«, hörte Lips dumpf die Stimme von Bohne.
    Irgendwann verstummten die Knechte. Lips lag noch lange mit offenen Augen da und sagte sich, dass er nicht nach dem Vater gekommen war, wie es der Viehknecht gesagt hatte. Er war doch kein Räuber und Schläger! Und schon gar nicht konnte er andere Menschen so quälen! Nein, er war ein ganz anderer Mensch, gar nichts war vom Vater auf ihn gekommen – bis auf das Äußere: die kräftige Statur und die Ähnlichkeit im Gesicht. Und er würde auch kein Knecht bleiben! Nein, sagte er sich trotzig und malte in Gedanken die alchemistischen Zeichen nach, die er damals in dem Buch gesehen hatte.
    Er lag wach und sträubte sich gegen die quälenden Bilder, die seit Tagen vor seinem inneren Auge erschienen, besonders wenn Ruhe in der Schlafkammer einkehrte. In den letzten Nächten war er manchmal schweißnass von den Bildern aufgeschreckt, die ihn verfolgten. Der Alp saß auf seiner Brust, drohte ihn zu erdrücken und den Atem abzuschnüren. Über Stunden lag er wach und wünschte sich in den erlösenden Schlaf. Schloss er die Augen, dann kamen nach einiger Zeit wieder die Bilder: Er war ohnmächtig eingezwängt in feste Stricke, die Mutter war in Stroh gefesselt, und er musste zusehen, wie sie wehrlos auf dem Karren hin und her geworfen wurde.

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