Der Goldkocher
Das ist unsere Offizin. Und vergiss nie, die Herren Apothekengesellen zu erzen. Auch die Apothekenlehrlinge nicht! Bei solcher Respektlosigkeit geht's schnurstracks dahin zurück, wo du hergekommen bist.«
»Sehr wohl, Herr Hausknecht.« Lips sah in seinen Augen, dass er nicht scherzte. Dann führte dieser ihn über den Hof zu einem großen Nebengebäude, aus dem das rhythmische Schlagen drang, das er schon bei der Ankunft gehört hatte. Als sie in den ersten Raum eintraten, kroch ihm ein Geruch wie von Heublumen in die Nase. »Unsere Kräuterkammer«, erklärte der Hausknecht. Ringsum standen Regale, die bis hoch an die Decke reichten, und voll gestellt mit beschrifteten Kästen, Schüben und Gefäßen waren. An einem Tisch saßen zwei Burschen, die mit einem Wiegemesser getrocknete Pflanzenstiele in kurze Stücke schnitten. Ein Dritter sortierte auf einem Tablett die eingeschrumpften Hülsen einer Lips unbekannten Pflanze.
»Das ist unser Apothekenlehrling Herr Böttger«, stellte der Hausknecht den Dritten vor. Der Apothekenlehrling war besser als die Burschen gekleidet und mochte nur wenig älter als Lips sein.
»Wir dachten, dass Er jetzt…«, setzte der Hausknecht an.
»Wir haben aber keine Lust mehr!«, unterbrach Böttger und betonte das wir. Er sah den Hausknecht keck an und warf alle Hülsen, die er in der Hand hielt, auf das Tablett. »Wir wollen jetzt nichts mehr hören, und wir machen jetzt eine Pause, wenn der Herr Hausknecht nichts dagegen einzuwenden hat.«
Die Jungen am Tisch sahen gespannt zum Hausknecht, der Böttger feindselig ansah. Sein Kiefer kaute nervös, und er überlegte, was er sagen sollte. »Weiter jetzt«, sagte er gepresst zu Lips.
Der nächste Raum war die Stoßkammer, wie der Hausknecht erklärte. Es roch betörend süßlich. Ein Bursche schlug einen schweren Stößel mit beiden Händen in einen metallenen Mörser, der so groß war, dass sich ein kleines Kind darin hätte verstecken können. Der Stößel war an der Decke mit einer schwingenden Federung aufgehängt wie bei einer Armbrust, sodass er immer wieder von selbst hochsprang.
Böttger kam hinter ihnen hergetänzelt. »Wir hören jetzt auf!«, rief er dem Burschen zu, der den Stößel schlug. Der blickte verunsichert zwischen dem Hausknecht und Böttger hin und her und wischte sich die Stirn. Sein Hemd war ganz durchgeschwitzt. Böttger fasste in den Mörser, nahm eine Probe von dem Pulver darin und rieb es zwischen den Fingern. »Oder müssen wir da doch noch weitermachen, weil sonst gleich wieder beim Herrn Apotheker gepetzt wird?«
Der Hausknecht zog Lips am Ärmel fort. Sie gingen hoch in die Räume der oberen Etagen, durch die voll gestellten Materialkammern, die Arbeitsräume mit den Drogenpressen und schließlich in die Destillationsküche, in der es Ekel erregend stank wie von verbranntem Gefieder. In jeder Ecke des Hauses roch es anders, und überall war ein reges Treiben. Körbe wurden hin und her getragen, Pillen von Hand gerollt, Salbentöpfe abgestrichen und Mixturen geschüttelt.
Der Hausknecht horchte zufrieden auf, als das rhythmische Pochen vom Stößel wieder durch das Haus klang, und führte Lips hinunter in den Keller mit seinen weit ausladenden Gewölben. »Hier lagern wir den Wein und da die Destillierwässer. Und dahinten haben wir noch ein Laboratorium. Das bleibt aber verschlossen.«
»Was wird dort gemacht?«
Der Hausknecht rümpfte die Nase. »Was weiß ich!«
7
Die Tage verliefen nach strenger Ordnung. Der Hausknecht wachte darüber, dass niemand untätig herumstand und alle Arbeiten mit Fleiß erledigt wurden. Wie Frieder damals in der Grabich-Schenke, so stand der Hausknecht oft plötzlich hinter den Knechten und sah ihnen auf die Finger. Anfangs misstraute Lips jedem, der ihn im Vorübergehen etwas länger ansah. Bei jeder beiläufigen Nettigkeit und einem flüchtigen Lächeln überlegte er sofort, was derjenige wohl von ihm wollte und dass irgend etwas Abgefeimtes dahintersteckte. Und wenn Lips plötzlich den Hausknecht mit seinem Magengesicht über den Hof auf sich zulaufen sah oder nach ihm gerufen wurde, dann zuckte er zusammen, und die Furcht wogte sofort auf, dass nun jemand hinter seine Lügen gekommen war, mit denen er sich die Stellung im Haus des Apothekers erschlichen hatte, und er fürchtete, dass er wieder zurück auf die Straße gestoßen oder gar ins Arbeitshaus gebracht würde. Aber nichts dergleichen geschah.
Von Anfang an war es anders mit Anna. Vielleicht, weil
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