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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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beherrschen. Seine Hand schloss sich hinter seinem Rücken zur Faust, und es drängte ihn, den Hausknecht am Kragen zu fassen und durchzuschütteln.
    »Haben wir uns verstanden?«, fragte der Hausknecht mit herausforderndem Blick.
    »Jawohl, Herr Hausknecht!«
    Es war schon dämmrig, als Lips unter den Augen der Knechte, die erwartungsvoll gestimmt an der Toreinfahrt standen, den Straßenkot in die Gosse fegte. Gleich vor dem Eingang zum Haupthaus warteten einige Kirchgänger, die regelmäßig an den Hausgottesdiensten in der Bibliothek teilnahmen, auf Pfarrer Porstmann, um ihn den kurzen Weg hinüber zur Nikolai-Kirche zu begleiten. Als die Mägde aus dem Haupthaus traten, wurden ihre Gesichter auf einmal ganz ernst, und sie gingen mit züchtig gesenktem Blick an den Kirchgängern vorbei.
    »Los jetzt!«, rief der Viehknecht in hochgepeitschter Erregung, als die Mägde entfernt genug von den Kirchgängern waren, und hielt den Knecht Bohne, der vorpreschen wollte, am Ärmel fest.
    Wütend sah Lips dem Pulk nach. Niemand drehte sich zu ihm um und beachtete ihn – auch Anna nicht, die sofort von den Knechten umringt wurde. Lips fühlte sich in diesem Augenblick einsam. Er gehörte nicht zu ihnen – vielleicht würde er auch nie einer der ihren werden. Schon wenn ihn jemand im Vorübergehen anlächelte, fragte er sich, was derjenige von ihm wollte. Und wenn die anderen beieinander standen und lachten, spürte er sich ausgeschlossen, und sein Misstrauen mahnte ihn zur Vorsicht. Im ersten Augenblick dachte er dann, dass sie über ihn lachten, und er witterte etwas Hinterhältiges. ›Gleich, gleich passiert's!‹ Vielleicht, dachte er in letzter Zeit öfter, konnte man ja sein Herkommen überhaupt nicht abstreifen? Vielleicht trug man es sein ganzes Leben mit sich herum? Er war kein Wittischer und auch kein Kochemer. Er fühlte sich wie ein Ausgestoßener zwischen den Welten, einsam und misstrauisch gegen jedermann, immer auf dem Sprung und darauf gefasst, dass schon im nächsten Augenblick etwas Bedrohliches passierte, das sein Misstrauen bestätigte.
    Bevor der Pulk um die nächste Ecke bog, hörte Lips noch Anna, wie sie schallend auflachte. Im Haus gingen nun die Lichter von Zimmer zu Zimmer aus.
    »Er kommt!«, rief eine der wartenden Kirchgängerinnen, reckte sich und stellte sich auf die Zehenspitzen.
    Als Erster trat der Apotheker mit seiner Frau heraus. Lips hielt mit dem Fegen inne und zog seinen Hut. Die Frau des Apothekers hatte inzwischen das aufgedunsene Gesicht einer Schwangeren bekommen, und ihr kugelrunder Bauch stand hoch. Nun folgte Pfarrer Porstmann, der ein schlichtes schwarzes Pfarrgewand mit weißer Halskrause trug. Vor seiner Brust hielt er ein Buch. Die Kirchgänger machten eine Gasse, und einige fielen auf die Knie.
    »Nicht doch, Brüder!«, rief Pfarrer Porstmann und ging mit offenen Armen auf sie zu. »Kniet in Demut vor Gott, dem Herrn, und nicht vor seinem Diener!«
    Eine Frau versuchte seine Hand zu greifen und zu küssen, aber er hielt ihr das Buch hin, und sie küsste dieses, wie sich nun auch die anderen mit ihren Mündern nach dem Buch reckten.
    Hinter dem Pfarrer ging eine junge Frau, die Lips noch nie gesehen hatte. Es musste Elisabeth, die älteste Tochter des Apothekers aus erster Ehe sein. Vor einigen Monaten hatte Pfarrer Porstmann sie geheiratet, und sie hatten oben im Haupthaus eine Wohnung bezogen. Lips hatte schon davon gehört, dass Elisabeth Porstmann die Menschen mied und nur selten das Haus verließ, weil sie – wie Anna einmal meinte, als sie morgens die Koteimer herausstellte – so selten hässlich war. Die Elisabeth hätte der Pfarrer doch nur geheiratet, weil die Mitgift so üppig war.
    Anna hatte nicht übertrieben: Elisabeths Augen standen – wie beim Apotheker und allen seinen Kindern aus erster und zweiter Ehe – vor wie bei einem Frosch. Die Oberlippe war gespalten, aber nicht so lang und tief wie bei dem kleinen Krüppelkind, das Anna verwahren musste. Ein Ekel lag in ihrem Gesicht, als hätte man sie mit Essig übergossen. Elisabeth hatte eine große Ähnlichkeit mit ihrem Bruder, dem dummen Heinrich, der mit dem Hausknecht am Schluss folgte. Sie erwiderte Lips Blick nur einen Wimpernschlag, dann sah sie nach unten, nestelte verlegen an ihrer Haube und ging gebeugt weiter, als hätte sie die Knochenweiche.
    »So fleißig, mein Sohn!«, lobte Pfarrer Porstmann im Vorübergehen. »Das wird dem Herrgott gefallen!«
    Lips sah ihnen nach und fragte sich, wie

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