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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Windofen zog gut und gleichmäßig. Er schichtete die Holzkohle immer höher, sodass der Ofen bald starke Hitze abstrahlte.
    Böttger hatte das Talglicht ganz nahe herangezogen und sich ins Buch vertieft. Er kaute auf seiner Unterlippe, und ab und an schrieb er etwas aus dem Buch ab. »Verflucht, ich brauch noch Horn.« Böttger suchte herum, fand eine Flasche, an der er erst vorsichtig roch, bevor er trank. Er stöberte weiter und zog aus einem Korb die eingetrocknete Klaue einer Kuh. Unter dem Tisch fand er eine Feile und ließ Lips damit das Horn abfeilen, sodass es ein ganz feines Pulver ergab.
    »Ist es gut so?«, fragte Lips.
    Böttger sah verärgert von dem Buch auf. »Na, das will ich doch hoffen! Hör schon auf damit, müsste reichen.«
    »Wofür ist denn das Horn?«, fragte Lips. »Ich meine, was…« Er suchte das Gespräch über Alchemie, aber Böttger reagierte nicht. »Was jetzt? Soll ich noch irgend etwas feilen oder…«
    »Raus, ich brauch dich nicht mehr.« Böttger sprang plötzlich auf und kam in Hektik. »Du brauchst nicht alles mitzukriegen!«
    Schnell drängte Böttger ihn hoch zur Tür. Lips stand ganz verdattert im Dunkel des Hofes und hörte, wie Böttger hinter ihm abschloss. So unverhofft, wie er ins Laboratorium gekommen war, so plötzlich war er wieder hinausgeworfen worden.
    In der Ferne donnerten vom Feuerwerk gewaltige Böllerschläge, die dicht hintereinander losschlugen. »Scheißkerl!«, schimpfte Lips leise vor sich hin und ging auf die Straße. Hinter den Häuserzeilen blitzte es in glühenden Regenbogenfarben auf. Er sah noch etwas in den Himmel und atmete die klare Luft. Schnee würde bald kommen. Dann schritt er die Front des Hauses ab und suchte das Kellerfenster zum Laboratorium. Die Fenster lagen halb unter der Straße und waren mit Eisengittern verwahrt. Aus dem Fenster zum Laboratorium kam nur an einer Stelle ein winziger Lichtschein. Er kniete nieder, konnte aber nichts erkennen und auch nichts hören.
    Im Hof hockte Lips sich in sicherer Entfernung zum Bullenbeißer, der gegen das Seil zog. »Der Böttger wird jetzt alles zum Goldkochen zusammenmischen«, sagte Lips leise in Richtung des Hundes. »Syrupus Caryophillorum hortensium« , wiederholte er langsam für sich und schnalzte mit der Zunge. »Ja, ja, Fetzer, pass nur auf!«

9
    Am nächsten Morgen sprachen alle am Gesindetisch durcheinander über die Lichter, sprühenden Fontänen und Feuerbilder und wollten sich gar nicht über die Pracht beruhigen. Das Feuerwerk hätte ununterbrochen über ganze drei Stunden geprasselt. Lips beobachtete Böttger, der mit übernächtigtem Gesicht zuhörte und missmutig an seinem Brotkanten kaute.
    »Und?«, fragte Lips leise, als sie zu den Morgenarbeiten hinausgingen. »Hat Er etwas in dem Buch gefunden?«
    »War wieder so ein Afteralchemist!«, schimpfte Böttger vor sich hin und ließ ihn stehen.
    Anna sah er einige Tage nicht. Wie es hieß, hätte das Krüppelkind eine schwere Blähsucht bekommen. Tag und Nacht würde es sich in seinem Bett winden und ununterbrochen schreien.
    Lips musste in den nächsten Tagen immer wieder an die Bücher denken, die im Laboratorium lagen. Er war ganz angestachelt davon und gierte nach allem, was er irgendwo lesen konnte. Lips studierte die Beschriftungen auf den Apothekengefäßen, die auszuwaschen waren, und entzifferte Buchstabe für Buchstabe die geheimnisvollen Worte auf den Kisten, die aus fernen Ländern kamen und seine Phantasie beflügelten. Meist war er in der Stoßkammer und musste den schweren eisernen Stößel – das Pistell – in den Mörser stoßen, bis ihm die Arme lahm waren. Chinarinde war darunter, auch Guajakholz von den Antillen. Es musste sehr kostbar sein, denn die Kammer wurde vor dem Spalten und Raspeln gründlichst ausgefegt, und jedes noch so kleine Stück, das herunterfiel, wurde aufgehoben und wieder in den Mörser geworfen. Der Apotheker kam an diesem Tag selbst in die Stoßkammer, befühlte das Pulver, roch daran und schmeckte davon und mahnte mit dem Finger, das Pulver müsse fein wie Puderzucker werden. Und beeilen sollten sie sich.
    »Hab da was gefunden«, flüsterte Böttger, als der Apotheker wieder draußen war.
    »In dem Buch?«
    »Ja, ich brauch dich heute Nacht.«
    Lips dachte daran, wie Böttger ihn das letzte Mal abgefertigt hatte, und es sträubte sich in ihm, so sehr er auch darauf fieberte, wieder ins Laboratorium zu kommen. »Ich weiß nicht, ob ich das darf.«
    »Klar darfst du! Wenn's nicht

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