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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Pfarrer Porstmann nur eine so hässliche Frau heiraten konnte, war er doch ein Mann, dem so viel Respekt und Ehrfurcht entgegengebracht wurde.
    »Er ist ein Apostel«, hörte Lips einen der Kirchgänger sagen, die dem Pfarrer folgten. Ein anderer nickte. Sie gingen jedoch nicht in Richtung des Lustgartens, sondern hinüber zur Nikolai-Kirche, von der die Glocke zur Abendpredigt mahnte. Lips wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren, dann ging er in den Hof. Wutentbrannt schmiss er den Besen auf den Boden. Der Bullenbeißer sprang gegen die Leine und schlug an.
    »Was ist denn mit dir los?«, rief Böttger herüber, der mit einer Talgfunzel in der Tür zur Gesindestube stand.
    Lips hob den Besen wieder auf. »Der Hausknecht, den…« Er verbiss sich weiterzureden.
    »Ein Afterknecht, der Kerl.« Böttger lachte. »Ist nicht mit dem zu spaßen. Lass das mit dem Fegen, du siehst doch sowieso nichts mehr. Komm mit!«
    »Wohin?«
    »Du wolltest mir doch beim Goldkochen helfen, oder?!«
    Lips war für einen Augenblick sprachlos. »Ja, aber ich soll doch das Haus verwahren.« Während er sich sprechen hörte, fieberte er darauf, mit ins Laboratorium zu gehen. »Der Herr Apotheker wird auch bald aus der Messe zurückkommen.«
    »Nein, nein!« Böttger lachte abfällig auf. »Der Porstmann wird so lange gegen das Sündenbabel hier in der Stadt predigen, bis das Feuerwerk zu Ende ist. Und das wird Stunden dauern. Vorher hört der doch nicht auf! Mach den Hund los, wenn ich drin bin, und komm mit!«
    »Nee, Fetzer zerreißt mich.«
    Lips folgte Böttger hinüber zum Seitenflügel. Böttger zog ein Schlüsselbund hervor, schob Lips rasch hinein und verschloss hinter ihnen die Eingangstür. Dann stiegen sie hinunter in den Keller. Ihre Schatten wurden hoch an die Gewölbe geworfen und an den Ecken und Winkeln der Wände und Pfeiler gebrochen. Vor dem Laboratorium, das immer verschlossen gewesen war, blieb Böttger stehen und hielt die Talgfunzel hoch, sodass sie ihre Gesichter sehen konnten. »Du erzählst keinem was darüber, was du hier siehst, verstanden? Ich muss dir vertrauen können!«
    Lips nickte. Böttger schloss auf und ging voran. Es roch scharf muffig wie nach verdorbenem Harzer Käse, der auf dem Wochenmarkt das Pfund für einen halben Groschen zu haben war. Böttger schob von innen einen Riegel vor und stieß gegen ein Metallgefäß, das umfiel und scheppernd über den Boden rollte.
    »Verfluchtes Durcheinander!«, schimpfte Böttger und zündete weitere Talgfunzeln an. »Könntest hier mal aufräumen.«
    Allmählich gewöhnten sich Lips' Augen an das Dämmerlicht. Körbe mit Holzkohle und Spänen standen herum und viele Gefäße in bizarren Formen und unterschiedlichsten Größen. Auf einem Tisch stapelten sich Bücher. Ein Tintenfass war offen, und Federkiele und Papierbögen lagen achtlos herum. Einige Bögen waren zusammengeknüllt. Lips erkannte wilde Krakeleien und alchemistische Zeichen. In einer Ecke stand ein Destillierapparat, wie auch einer oben in der Destillierküche stand. Dieser jedoch hatte eine andere Form: Von einem metallenen Kübel über dem Feuerloch gingen wirr dünne Rohre ab, die sich in langen Bögen drehten, sich zwischendurch in Glasblasen zusammenfanden, dann wieder in alle Richtungen auseinanderliefen und sich schließlich in einem großen Rohr vereinigten, das zum Boden hinunterführte. Darunter stand ein löchriger Ledereimer. An den Wänden hingen Schöpfkellen, langstielige Zangen und Bündel von getrockneten Pflanzen. Regale waren mit Karaffen, Schachteln, Tierschädeln und Apothekengefäßen voll gestopft. Lips hob eine Flasche vor seinen Füßen auf, und mit dem Rücken zu Böttger gewandt las er Buchstabe für Buchstabe: Syrupus Caryophillorum hortensium.
    »Träum hier nicht rum!«, rief Böttger und wies auf einen gemauerten Windofen, der viel größer war als der Ofen von Arnold damals und auch mehr Löcher und Klappen zum Regulieren des Luftzuges hatte. »Mach Feuer!« Böttger stellte sich auf einen Schemel und verhängte mit einem Tuch das einzige Fenster, das nach vorne auf die Straße hinausging.
    Lips säuberte den Ofen und suchte Kienspäne und Holz zusammen. Er fand einen Blasebalg, ließ die Flammen auflodern und beobachtete, wie Böttger ein Buch unter seinem Wams hervorzog und darin herumblätterte. Dann suchte dieser einige Gefäße in dem Durcheinander zusammen und stellte sie im Halbkreis vor sich auf den Tisch. Immer wieder schielte Lips zu dem Buch. Der

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