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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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sein Gesicht sehen konnte. Er fürchtete, dass ihn jemand ansprechen könnte, und zwang sich, ganz langsam aufzustehen, als wollte er nur hinaus auf die Kotgrube im Viehstall gehen.
    Draußen zog er die Schneeluft tief in die Lungen, er rieb sein Gesicht mit Schnee und leckte davon. Fetzer kam winselnd aus seiner Hütte gelaufen und sah ihn neugierig an, weil er dachte, Lips hätte ihm wieder etwas Speck mitgebracht. Lips schrubbte sich das Gesicht, bis der Schrecken vorbei war, dann ging er zurück und setzte sich wieder ans Feuer und legte Holz nach. Mit dem Gesicht ging er nahe an die Flammen und wärmte sich. Er hörte dem Prasseln und Fauchen des Feuers zu, beobachtete, wie sich der Rauch kräuselte, die Flammen ihre Farben wechselten und das Holz anleckten. Lips schloss die Augen, drängte alle Bilder zur Seite und dachte so lange an Anna, bis er ihr Bild vor seinem inneren Auge hatte. Er sah sie, wie sie ihre Locke aus der Stirn blies, und ging immer näher an die Flammen heran, bis sein Gesicht glühte.
    Als Lips dann später unter dem Bettstroh lag und fürchtete, die Bilder würden wiederkommen, trieb es ihn ans Fenster, und er spähte hinüber zum Haupthaus, wo noch Licht und Schatten waren. Einmal sah er, wie die Rauchsäule aus dem Schornstein für kurze Zeit dunkler und kräftiger wurde, bis die Späne vom Anzünden heruntergebrannt waren. Böttger musste wieder im Laboratorium sein. Dann legte Lips sich wieder hin. Er schloss die Augen und sah die Schnipsel des Fahndungsschreibens auf den Wellen treiben, er wollte sich nicht mehr erinnern, atmete dagegen und dachte ganz fest an Anna, wie sie neulich an der Tür zum Waschhaus stand, sich das Haar hochsteckte, dann nach einem Bottich bückte und einen Augenblick ihre Brüste im Ausschnitt ihres Kleides wogten. Mit ihrem Bild schlief er ein.
    ***
    Als Böttger ihn das nächste Mal mitnahm, war dieser ganz aufgekratzt, denn er wollte wieder einen Edelstein herstellen. Diesmal sollte es ein Rubin von außerordentlicher Größe und Reinheit werden. Lips beobachtete, wie Böttger, der ganz hohl und abgefallen ausschaute, ein Pulver in Wein löste. Nach einiger Zeit schien alle Müdigkeit von ihm abgefallen. Obwohl er den Versuch abbrechen musste, weil gestoßenes Auripigment in ausreichender Quantität fehlte, war er von ungewohnter Redseligkeit.
    »Kannst aufhören, den Schwefel zu reiben. Stimmt sowieso nicht, was dieser selbst ernannte Chymicus schreibt. Alles blödes Zeug! Bloße Windmacherei! Hier, Basilius Valentinus.« Böttger langte nach einem Buch, rückte das Talglicht nahe und blätterte darin. »Mit dem machen wir weiter. Traktat von dem großen Stein der Uralten. Das ist es. Ich brauch unbedingt Grauspießglanz. Aus Ungarn muss es sein, das wächst dort in den Bergwerken.« Böttger schlug das Buch zu und rückte mit dem Hocker ans Feuer. »Ich hab dich beobachtet.«
    »Wie?« Lips schreckte auf, und alle seine Lügen fielen ihm auf einmal ein.
    »Ja, du bist immer für dich. Stimmt was nicht mit dir?«
    »Was soll denn nicht mit mir stimmen?«
    »Gehst nicht mit den Burschen, sprichst kaum mit einem.« Böttger lachte ihn linkisch an. »Aber auf die Anna hast du es abgesehen, was?«
    »Ich, ehm, ich«, stammelte Lips. »Nein, wie … nein…«
    »Werd doch nicht rot. Die hat 'ne stramme Weste, die Anna, das muss man ihr lassen. Da würde ich ja auch mal. Aber sonst!? Was findest du denn an der? Meine, die quasselt einen doch dämlich mit ihrem Aftergeschwätz!«
    »Ich weiß gar nicht, was Er…«
    »Jetzt red doch nicht rum. Hab dich doch beobachtet. Wie du die anstarrst! Aber ich sag dir, die Anna ist zu alt für dich. Zwei, drei Jahre älter als man selbst, und die Weiber stecken einen in den Hafersack und prügeln auf dir rum! Nein, die Anna wäre mehr was für mich, ich meine vom Alter her und so! Außerdem will der Kunkel sie ficken, hat er mir selbst gesagt. Hast du den Namen schon mal gehört? Kunkel von Löwenstern?«
    Es grummelte in Lips. Er mied Böttgers Blick und nickte nur.
    »Der Kunkel hat ein Laboratorium auf der Pfaueninsel, da brennt der sein Rubinglas. Aber eigentlich, sag ich dir, ist der Kunkel hinter dem Stein der Weisen her. Und der Kunkel ist keiner von diesen Pfuschern, sag ich dir. Der hat überhaupt den gründlichsten chymischen Verstand! Aber wirtschaften kann der nicht! Deswegen hockt der auch so oft oben beim Zorn. Der steht bei dem mächtig in der Kreide. Und mit dem Porstmann zusammen halten sie ihre frommen

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