Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
Vom Netzwerk:
Reihe und mit klarem Verstand auf den Grund gehen. Es ist wie mit den Zahlen: Eins folgert aus dem anderen. Aber davon verstehst du ja nichts.«
    Wie Lips Böttger von der Seite betrachtete, hielt ihn etwas davon ab, sich ihm zu offenbaren, dass er darauf gierte, all dies auch zu lernen; besonders die Bücher der Alchemisten zu studieren und auch die Welt der Zahlen zu ergründen. Arnold hatte damals nur einige Kunststücke im Rechnen gewusst, aber angedeutet, dass es davon unendlich viele gäbe. Und eines würde bei den Zahlen auf dem anderen fußen – das hatte auch Arnold gesagt.
    »Der Herr Apotheker hat das Laboratorium für die Alchemie eingerichtet?«, fragte Lips.
    »Er hat auch mal versucht, den Stein der Weisen zu finden, und ich hab ihm dabei geholfen. Aber ein Stümper ist er, der Herr Apotheker, und zu teuer ist es dem alten Bock geworden.« Böttger beugte sich vor. »Weißt du, warum der den Stein der Weisen gesucht hat?«
    »Um reich zu werden, denke ich«, sagte Lips. Ihm war unbehaglich, wie Böttger ohne alle Umstände über den Apotheker herzog.
    »Das natürlich auch. Hat dir dein Herr Papa, dieser Schnallenmacher, mal was vom Panacee des Lebens erzählt? Vom Geheimnis des Aurum potabile?«
    »Nein, er…« Lips räusperte sich. »Mein Vater meinte, man muss das Quecksilber trocken kochen. Das wäre das Geheimnis.«
    »Na, das klingt schon besser als dieser Afterglauben von den Hähnen. Nein, es gibt noch eine zweite Wirkung vom Stein der Weisen. Wenn du davon etwas trinkst, dann kriegst du ein doppeltes, manche sagen sogar ein dreifaches Leben. Wie ein Jungbrunnen wirkt das Zeug. Und es ist eine Universaltinktur, die viele Krankheiten heilt.«
    Im Tiegel zischte es hell, fing an zu brodeln und rauchte stärker. Der Rauch brannte in den Augen und ließ Lips flach atmen. Böttger hielt sich ein Tuch vor den Mund und neigte den Kopf, um von der Seite in den Tiegel sehen zu können.
    »Was meinst du«, sprach Böttger undeutlich durch das Tuch, »was das für ein Geschäft für einen Apotheker wäre! Nicht auszudenken. Und jetzt räum hier mal auf.«
    Noch einmal drehte Böttger das Stundenglas um, bis sie wieder zurück ins Gesindehaus schlichen. Nein, vor dem Vater brauchte er sich nicht mehr zu fürchten, sagte er sich und schlief in Gedanken an Anna ein.
    ***
    Am Morgen wurde am Gesindetisch davon erzählt, dass das Krüppelkind in der Nacht nach neunstündiger Todesarbeit am verzehrenden Fieber gestorben sei. Im Haus herrsche eine große Erleichterung. Die Knechte löffelten die Morgensuppe und nickten zu den Erzählungen. Und auch Lips hoffte, dass Anna nun wieder öfter zu sehen war. Noch für den Nachmittag war die Beerdigung angesetzt, damit das Krüppelkind rasch aus dem Haus war.
    Morgens musste Lips wieder in der Stoßkammer arbeiten. Er war todmüde. Auch Böttger gähnte, als er einen Teig in den Arbeitsraum brachte, und Canarienzucker, Ambra sowie Rosenwasser darunter knetete. Ein lieblicher Duft breitete sich aus.
    »Heute Nacht wieder!«, flüsterte Böttger Lips im Vorübergehen zu. »Ich brauch dich! Ich glaub, es funktioniert diesmal.«
    Alle Apothekenknechte wurden zusammengerufen. Der Apotheker kam selbst und kostete etwas von dem Teig. Böttger musste noch Rosenwasser nachgeben. Dann saßen alle um den sauber gewischten Tisch und versuchten ganz ebenmäßige Mund-Kügelchen zu formen. Wie Lips heraushörte, hatte eine Gräfin die Mundkügelchen für ihre Bediensteten bestellt, die diese gegen Mundfäule und bösen Atem lutschen mussten. Der Teig war aber zu flüssig geraten, klebte an den Fingern, und die Kugeln verloren ihre Form. Der Apotheker ließ feines Mehl nachgeben und sah nervös auf seine Taschenuhr. »Dummkopf, verfluchter!«, schrie er Böttger unvermittelt an und schlug mit der Faust in den Teig.
    Lips sah die Wut in Böttgers Gesicht und wie dieser sich zurückhalten musste. Es war Totenstille. In dem Augenblick kam der Hausknecht außer Atem angelaufen.
    »Gnädiger Herr Apotheker, die Beerdigung!«
    »Ich kann jetzt nicht!«, schrie der Apotheker.
    »Gnädigst…«
    »Was ist denn noch!«
    »Der Herr Pfarrer wartet schon.«
    Der Apotheker besann sich einen Augenblick. Die Lippen gingen ein paarmal leer, und er stieß den Atem. »So, ist der Herr Schwiegersohn schon draußen?«
    »Nein«, sagte der Hausknecht leise. »Der Herr Pfarrer lässt ausrichten, er wartet oben in der Wohnung. Der Herr Apotheker möchte den Herrn Pfarrer bitte abholen.«

10
    DieAlten

Weitere Kostenlose Bücher