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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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streng ansah. »Du hast 'nen Namensvetter. Gestern hat einer in der Schenke von einem anderen Lips erzählt. Hab den Namen sonst noch nie gehört. Lips Tullian, kennst du den?«
    Es traf Lips wie ein Hammerschlag vom Schweineschneider, als er seinen Namen hörte. Er sah die fragenden Blicke der anderen Knechte, schüttelte mit dem Kopf und schaute angestrengt in die Hafersuppe.
    »Das muss ein ziemlich verwegener Bandit sein, dieser Tullian. Hat 'ne große Bande, aber macht immer die gefährlichsten Sachen selbst. Die Sachsen suchen den im ganzen Land, und der Kerl traut sich auch noch nach Dresden rein und raubt das Silbergewölbe von einem Grafen aus. Muss man sich mal vorstellen! Dieser Tullian muss Kräfte wie ein Ochse haben. Die Gitter vorm Silbergewölbe hat der mit den bloßen Händen auseinandergebogen!«
    »Hab auch mal was von dem gehört«, fiel der Viehknecht ein. »Der hat in Böhmen eine Glocke aus dem Kirchturm geklaut. Und? Haben sie den Kerl endlich erwischt?«
    Lips vergaß, die Hafersuppe zu schlucken.
    »Nee, die haben die ganze Stadt durchsucht. Alle Schenken, die Ställe und Scheunen, Dachböden, alles. Der hat sich wie in Luft aufgelöst. Mit dem ganzen Silber. Das müssen ganze Säcke voll gewesen sein.«
    Die Tür wurde aufgerissen, und der Hausknecht schlug die befreiende Gesindeglocke. »Los jetzt, an die Arbeit mit euch!«
    Lips schlang noch schnell den Rest der Suppe hinunter, dann ging er hinüber in die Stoßkammer und schlug mit ganzer Kraft das Pistell in den Mörser. Wie sie über den Vater gesprochen hatten! Als wäre er ein Held! Auch wenn er diesen Schneid hatte, sich vor nichts und niemand fürchtete! Da konnte Lips schon stolz auf seinen Vater sein, aber sollten sie doch mal vor ihm stehen, wenn er das Brecheisen tanzen ließ!
    »Was ist denn mit dir los!«, rief Böttger. »Willst wohl den Mörser kaputthauen, was? Du sollst jetzt aufhören, hat der Apotheker gesagt. Das dröhnt durchs ganze Haus. Die Zornin braucht Ruhe.«
    Am Nachmittag wurde die Hofwehemutter vorgefahren. Anna kam bald darauf mit einem Zettel gelaufen und holte eine Flasche mit Eisenkrautwasser, um die Wehen zu härten. Und der Hausknecht hielt die Kutsche bereit, um jederzeit einen Medicus holen zu können. Am Abend wurden überall im Haupthaus Lichter angezündet. Die Ersten vom Gesinde waren schon in ihren Schlafkammern, da kam Anna über den Hof gelaufen.
    »Ein Junge!«, rief sie in die Stube. »Es ist ein Junge! Ihr sollt nachher mit zur Nottaufe kommen. Alle!«
    »Wieso denn eine Nottaufe?«, fragte der Viehknecht. »Ist er denn nicht gesund?«
    »Ist jedenfalls alles dran!« Ein anzügliches Lächeln umspielte Annas Mund, dann dämpfte sie ihre Stimme und beugte sich vor, damit der Hausknecht nichts hören konnte. »Der hat nur ein bisschen diese Fischaugen, ihr wisst schon. Der Herr Pfarrer will heute noch die Taufe, weil der Junge so blau war.« Sie sprach jetzt wieder lauter. »Und wisst ihr, wer den Paten steht!? Na?! Kommt ihr nicht drauf! Der gnädige Herr Freiherr, ehm, also dieser Herr von Kunkel von Löwenstern. Der ist ein richtiger Ritter.«
    Lips sah Anna nach, wie sie über den Hof lief. Böttger stellte sich zu ihm. »Die lässt dich aber ganz schön links liegen«, flüsterte er. »Hör zu: Ich dachte, der Kunkel kommt erst übermorgen. Dann müssen wir heute Nacht noch ins Laboratorium.«
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Lips. »Wirklich! Ich schlaf im Stehen ein.«
    »Du kannst mich jetzt doch nicht hängen lassen!«, sagte Böttger eindringlich. »Jetzt kurz vor dem Ziel! Wenn ich den Kunkel mit dem Experiment überzeuge, dann spricht der mit dem Zorn. Der hört auf den Kunkel, bestimmt! Dann kann ich das Laboratorium auch wieder tagsüber benutzen. Der Zorn besorgt uns dann alles, was ich zum Goldkochen brauche. Der Kunkel ist der berühmteste Chymicus in Berlin! Ach was red ich da, vom ganzen Reich, von Europa, wenn du mich verstehst. Seine Bücher sind die wichtigsten überhaupt. Das ist nicht irgend jemand! Du hast ja gar keine Ahnung, wer das ist, der Kunkel. Was sag ich denn, da…«
    Der Hausknecht eilte mit erhitztem Gesicht auf sie zu, als hätte er nicht Zeit zum Schuhebinden, und sah sie misstrauisch an. »Dann gehen wir gleich rüber in die Bibliothek zur Taufe. In Sonntagskleidern. Und Lips, du weckst die anderen.«
    »Jawohl!«, rief Böttger mit dreschender Soldatenstimme. »Machen wir doch!«

12
    In der Bibliothek setzte Lips sich ganz außen auf die Gesindebank,

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