Der Goldkocher
wie bei einem Feuerwerk, dazwischen hörte er ein Husten und Röcheln. Im Qualm erkannte er Böttger, der auf dem Boden lag. Gelb-rote Strahlen blitzten aus dem Windofen. Lips fasste Böttger unter den Armen und zog ihn hinaus zum Eingang, wo inzwischen einige Knechte standen.
»Feuer! Feuer!«, schrie Lips. »Holt Wasser!«
Böttger hustete und rang zugleich nach Luft. Seine Haare waren versengt, die Hände zitterten, und das Gesicht war rußgeschwärzt. Anna hockte sich neben ihn und ihre Hände zuckten, als wollte sie ihn anfassen. ›Gottfried‹ hatte Anna gerufen, wo doch sonst vom Gesinde alle ›Herr Böttger‹ zu ihm sagen mussten!
Als Böttger sich wieder hinstellen konnte, gingen sie hinunter ins Laboratorium. Es bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Lips watete durch das Wasser, dass sie in hohem Bogen hineingeschüttet hatten. Böttger ging mit der Talgfunzel umher, hustete und besah den Schaden. Der Windofen war gesprengt, Tiegel und Töpfe lagen umgestoßen. Bücher wellten sich, Blätter mit Aufzeichnungen von Böttger waren angekokelt oder die Tinte vom Wasser verschmiert. Viele Materialen waren unbrauchbar geworden.
»Konnten die denn nicht aufpassen!«, schimpfte Böttger und stieß mit dem Fuß wütend gegen eine Flasche. »Verfluchte Scheiße!«
»Hier wird nicht geflucht!«, sagte Pfarrer Porstmann, der mit dem Apotheker in der Tür stand und sich ein Tuch vor den Mund hielt.
»Gott sei Dank!«, rief Böttger sofort und machte die Andeutung eines Bücklings. »Es ist nichts passiert.«
»Nichts passiert?«, schrie der Apotheker. »Das Haus ist beinahe abgebrannt! Jetzt ist Schluss mit dem Rumsudeln!«
»Einen Augenblick, Herr Apotheker!« Böttger suchte in dem Durcheinander nach einem Buch und blätterte darin. »Einen Augenblick… Hier, der Kunkel, der hat eine falsche Fährte gelegt. Das war ein Hinterhalt! Eine chymische Falle!«
»Jetzt ist auch noch der Herr Kunkel schuld! Nein, Schluss ist jetzt! Schuld sind immer die andern. Ist doch alles nur Geldverschwendung!«
»Herr Apotheker, das ist doch zu viel Phosphor, was der Kunkel hier angibt! Viel zu viel!« Böttger blickte sich um und griff nach anderen Büchern. »Wir müssen die Bücher rasch hochbringen und trocknen. Lips, du räumst hier unten auf.«
Die Männer gingen hinaus. »Herr Apotheker«, hörte Lips Böttger noch sprechen, »der Herr Kunkel von Löwenstern will, dass jeder Chymicus verreckt, der ihm auf die Schliche kommt!«
»Na, na!«, sagte Pfarrer Porstmann. »Der Herr Kunkel von Löwenstern ist ein Ehrenmann!«
Lips stellte sich an die Tür und horchte. Die Männer standen oben am Eingang.
»Da wage ich nicht, dem Herrn Pfarrer zu widersprechen«, sagte Böttger. »Aber wenn es bei Kunkel um die Geldbörse geht, da kennt der keine Freunde.«
»Schluss jetzt!«, sagte der Apotheker barsch.
»Der Kunkel will doch, dass sich jeder selbst entleibt, der ihm auf die Schliche kommt! Außerdem ist es ein Schritt zum Stein der Weisen. Ich weiß es. Herr Pfarrer, ich brauch auch noch einen zweiten Laborknecht, der Lips kommt nicht nach! Ich muss ihm alles dreimal erklären, wenn…« Böttger sprach jetzt leiser und war nur noch undeutlich zu hören, worauf Lips ein paar Stufen höher schlich. »…hat mir auch verschwiegen, dass er lesen und schreiben kann.«
»Hat er das denn nicht erzählt?«, fragte der Pfarrer.
»Nein«, flüsterte Böttger. »Da hab ich mich doch sehr gewundert, als ich ihm auf die Schliche gekommen bin. Wir müssen schließlich alle sehr vorsichtig sein. Um der großen Sache willen. Da darf doch nichts nach außen dringen! Herr Apotheker, ist denn in der Bibliothek alles unversehrt?«
»Wieso die Bibliothek?«
»Weil das Laboratorium den gleichen Schornstein hat wie die Bibliothek. Nicht das da irgendwas…«
»Mein Gott!«, rief der Apotheker bestürzt.
Dann war nichts mehr zu hören. Lips stand eine Zeit lang wie versteinert, die Hände geballt. Wie Böttger ihn angeschwärzt hatte! Böttger würde alles tun, um weiter zu laborieren. Jeden würde er dafür fallen lassen, um weiter zu laborieren! Jeden würde er der großen Sache wegen, wie er sich ausdrückte, verraten!
Es dauerte, bis Lips sich besonnen hatte, dann ging er hinunter ins Laboratorium und fing an aufzuräumen. Zuerst sammelte er die Aufzeichnungen von Böttger zusammen. Dann wischte er die Regale aus und stellte alle Gefäße hinein, die nicht zerborsten waren. Das Wasser war inzwischen fast ganz im Boden
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