Der Goldkocher
Nein, als Adept muss man nach der Reihe forschen.«
»Und Lascaris? Der ist ein richtiger Adept?«
»Natürlich!« Böttger nickte gewichtig, stand auf und legte das Buch auf den Tisch. »Das hast du doch gesehen, oder?!«
»Ja, ja, natürlich. Kann Er mir erklären, was Opus magnum bedeutet?«
»Das ist das Große Werk, der Weg zum Stein der Weisen. Wo hast du das denn aufgeschnappt?«
»Lascaris hat davon gesprochen. Und von einem menstrum oder so ähnlich. Es war ihm wohl ganz wichtig, aber ich hab nichts verstanden.«
»Die haben alle nichts davon verstanden!« Böttger lachte leise und wies mit dem Finger nach oben. »Beim menstruum geht es um die Putrefactio, das ist die Faulung der Körper.«
»Und dieser Khunrath, den Lascaris erwähnt hat? Was hat es mit dem auf sich?«
»Du hast ja ein Gedächtnis!« Böttger stutzte und sah ihn forschend an, als wäre er ertappt worden. »Nichts hat es mit dem auf sich! Gar nichts, verstanden! Ach, bevor ich es vergesse!« Er kam in plötzliche Hektik. »Die Anna braucht noch schwarze Schminke. Für die Augenbrauen.« Böttger drehte sich zu ihm um. »Zwischen euch war ja nichts, hast du gesagt. Stimmt doch, oder?«
Lips nickte und musste schlucken.
»Gut, dann pass auf den Tiegel auf. Ist ja auch nur eine Nettigkeit von mir.« Schon hatte Böttger ihm den Rücken zugekehrt und suchte pfeifend in den Regalen.
Lips konnte sich nicht recht besinnen. Nur eine Nettigkeit, hatte Böttger gesagt. Lips dachte an die Bilder, die er sich von Anna vor dem Einschlafen machte – längst nicht mehr nur, um die Erinnerungen zu verdrängen –, und beobachtete eifersüchtig, wie Böttger Gummi Oponac in etwas Essig löste, etwas Asche hinzufügte und dann alles einkochen ließ, bis es eine Paste wurde. Was hatte Böttger denn auf einmal mit Anna zu schaffen? Sie hätte ihn doch auch fragen können! Gerade Böttger!
»Hör mal«, sagte Böttger und strich probehalber etwas von dem Schwarz auf seinem Handrücken aus, »ich hab dich beobachtet.«
Lips fuhr zusammen. Er dachte sofort an seine Begegnung mit dem Vater im Schwarzen Adler und dass Böttger sich dort auch einmal mit Kunkel getroffen hatte. Vielleicht hatte Böttger ihn dort gesehen. »Ja und?«, fragte Lips.
»Du schielst immer nach den Büchern«, sagte Böttger beiläufig und sah nicht auf. »Du kannst lesen, nicht?«
Lips atmete erleichtert auf. »Ja, etwas.«
»Hat dir das dein Vater beigebracht? Dieser Schnallenmacher?«
Lips nickte nur.
»Wie?«
»Ja, mein Vater.«
»Du bist doch nicht etwa ein Jud'?«
»Nein, wieso?«
»Weil die Juden oft gelehrt sind. Auch die einfachen Leute. Die sind nirgends zu Hause und müssen immer alles mitnehmen können, wenn sie nicht mehr das Schutzgeld zahlen können. Die Juden sagen, dass man das Wichtigste zum Überleben im Kopf haben muss! Das kann man denen auch nicht wieder wegnehmen! Warum hast du mir nicht gesagt, dass du lesen kannst?«
»Ich weiß nicht, war doch nicht wichtig. Er hat mich ja auch nicht danach gefragt.«
»Also hör mal!« Böttger schlug sich empört auf den Schenkel und entfärbte sich im Gesicht, als wollte der Scharfrichter ihm einen Finger abschlagen, mit dem er falsch geschworen hatte. »So können wir hier nicht zusammenarbeiten! Ich muss dir vertrauen können. Bedingungslos! In allem, verstehst du!?« Er roch ein paarmal an dem Schwarz und zog eine missmutige Miene, als hätte man ihm mit einer scharfen Lauge den Kopf gewaschen. »Etwas Rosenwasser wäre gut… Und schreiben kannst du auch?«
»Nur etwas«, sagte Lips kleinlaut.
»Etwas! Etwas! Wenn ich so was schon höre! Setz dich an den Tisch, und schreib deinen Namen.«
Aufgeregt griff Lips nach Tinte und Feder. Endlich! Aber gleichzeitig mahnte ihn seine innere Stimme zur Vorsicht, denn Böttger war misstrauisch und würde bestimmt niemand im Laboratorium dulden, der mitbekam, woran er forschte und ihn irgendwie verraten konnte. Lips tunkte in die Tinte und überlegte noch einen Augenblick, dann kratzte er so fest auf das Papier, dass die Tinte spritzte. Die Buchstaben malte er krumm und schief. Beim L ließ er den Haken weg, sodass daraus ein I wurde. Aus dem p seines Vornamens wurde ein großes B und beim Nachnamen vertat er sich und begann mit einem T wie bei Tullian, das er dann aber stehen ließ und nur noch ein amo anhängte.
»Du meine Güte!« Böttger lachte und besah sich mit skeptischer Miene die ungelenken Krakel. »Nee! LiBs Tarno . Ich denke, du heißt Lips
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