Der Goldkocher
versickert. Es standen nur noch ein paar Pfützen. Er kehrte den Matsch aus Materialien und Bruchstücken zusammen, stellte sich an die Tür und horchte kurz. Lips setzte sich an den Tisch und studierte, was von Böttgers Aufzeichnungen verwertbar geblieben war. Er suchte Tinte, Feder und Papier, horchte nochmals. »Verfluchter Böttger!«, sagte er sich und begann die Zeichen abzuschreiben.
Böttger kam einige Zeit darauf hinunter ins Laboratorium. »Der Zorn hat noch mal Glück gehabt. Die Bibliothek braucht nur geweißt zu werden. Heeh, was schaust du mich denn so an? Hat es dir die Sprache verschlagen?« Er kam auf Lips zu und legte ihm die Hand auf die Schulter, brachte aber kein Wort des Dankes über die Lippen, dass er ihn aus dem Laboratorium gerettet hatte, und Lips wurde ganz heiß, weil er seine Abschriften in der Jacke verborgen hatte.
»Hat ganz schön gequalmt, was!?«, sagte Böttger. »Und jetzt an die Arbeit. Wir sind auf Monate zurückgeworfen.« Böttger überprüfte, was alles erhalten war, und machte sofort eine Liste, was angeschafft werden musste. »Dann auch Papier, Tinte, Federn. Und etwas Gold brauchen wir.«
21
DerMedicus Dippel kam jeden Tag und untersuchte das neugeborene Kind der Zornin. Hinter vorgehaltener Hand wurde über das ›Satansfell‹ im Gesicht getuschelt. Auch Pfarrer Porstmann ging jeden Tag mit Bibel, geweihtem Wasser und Kruzifix an das Bett des Kindes. Nach sieben Tagen war es gestorben. Einen bösen Hals habe es bekommen, so hieß es. Alle im Haus waren spürbar erleichtert und gaben sich damit zufrieden. Lips hatte inzwischen den von der Explosion zerborstenen Windofen abgebrochen und baute nach Böttgers Anweisungen einen neuen. Der Ofen sollte größer werden und mehr seitliche Löcher mit metallenen Schiebern haben, um den Luftzug feiner regulieren zu können.
Lips schleppte einige Steine ins Laboratorium, als der Totengräber auf dem Hof vorfuhr. Das Gesinde stand in den Türen und sah mit ernsten Gesichtern aus den Fenstern, manche schlugen ein Kreuz, und alle sahen stumm zu, wie der Hausknecht den Kindersarg aus dem Haupthaus trug und auf den Totenkarren legte. Wegen der Gerüchte wurde das Kind außerhalb der Stadt begraben. Nur der Apotheker und Pfarrer Porstmann folgten dem Karren mit ernsten Gesichtern.
Sobald der Mörtel des neuen Windofens ausgetrocknet war, gingen die Versuche weiter. Böttger hatte vom Apotheker tatsächlich einige Goldklumpen erhalten und forschte damit. Wenn Böttger über Nacht allein im Laboratorium blieb, wurde Lips manchmal wach, und er beobachtete von seiner Kammer aus, ob ein Lichtschein im Treppenhaus zu sehen war, wenn Anna vielleicht hinunter ins Laboratorium schlich. Er konnte aber nie etwas bemerken.
Eines Morgens trat Lips wie gewohnt ins Laboratorium. Böttger war am Tisch eingeschlafen. Sein Kopf lag auf einem Buch. Ein anderes war aufgeschlagen, und ein Stundenglas stand darauf, um die Seiten auseinanderzuhalten. Die letzten Sandkörner rieselten noch. Überall lagen Flaschen und zusammengeknüllte Bögen herum, manche waren fleckig vom Rotwein. Auf dem Boden lagen Scherben von Tiegeln. Lips stieß mit dem Fuß gegen einen Teller mit Essensresten. Als er die Tür hinter sich schloss, hob Böttger den Kopf. Er war stark übernächtigt, hatte Ränder unter den Augen und war, wie so oft in letzter Zeit, betrunken.
»Er muss sich ausschlafen, bevor der Herr Apotheker kommt.« Lips breitete einige Säcke in einer Ecke aus und drehte eine Kopfrolle.
»Lass mich gefälligst, Afterknecht, verfluchter!«, schimpfte Böttger, als Lips ihm unter die Arme griff und ihn hinüberzog, wobei Böttger sich nach einer Flasche mit verdünntem Alcohol vini reckte. Böttger trank noch einen Schluck im Liegen, verlangte zum Frühstück Rührei mit Speck und eine neue Flasche, dann schlief er ein.
Lips legte von innen den Türriegel vor. Er las den Titel des Buches, über dem Böttger eingeschlafen war, aber es war nicht das erhoffte von Heinrich Khunrath, sondern von Kunkel von Löwenstern. Dann untersuchte er alles. Der Windofen war ausgekühlt, auch der Destillierapparat, und die Tiegel waren unbenutzt wie am Vorabend. Er durchforschte die Scherben der Tiegel, die unten an der Mauer lagen, befühlte sie und leckte vorsichtig daran, um die Materien zu ergründen, die Böttger zusammengekocht hatte. Dann sammelte er die zusammengeknüllten Aufzeichnungen auf, strich sie glatt, besah sich die Reihen mit den alchemistischen Zeichen und
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