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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Arnold. Das ist wirklich nur Geschmiere. Taugst doch nicht für meinen Secretarius.«
    Böttger ließ es dabei bewenden und beruhigte sich wieder. Später saßen sie schweigend vor dem Windofen. Die Glut war so stark, dass sich die Gesichtshaut zum Reißen spannte. In Gedanken versuchte Lips die letzten Sätze, die Böttger vorgelesen hatte, aus seinem Gedächtnis zusammenzukramen. »Denn es ist der philosophische Mercurius«, hatte Böttger begonnen, dann hatte er »von einem Magneten der Philosophen« vorgelesen, »welcher den Stahl, also den feurigen salinischen Geist der Erde, an sich zieht.« Er sah von der Seite in das Gesicht von Böttger, der ganz in Gedanken seine Nasenhaare zupfte, und Lips ging noch näher an die Glut. Immer wieder sprachen die Adepten von Mercurius. Im Mercurius musste das Geheimnis verborgen sein.
    Noch zweimal drehte Böttger das Stundenglas um, dann nahm er den Tiegel aus der Glut. Er ließ den Klumpen auskühlen und zerschlug ihn. Böttger war in Hochstimmung, als er schließlich einen Metallklumpen in den Fingern drehte, der silbrig glänzte. »Sieht schon ganz gut aus, nicht? Es ist kein Silber, aber vielleicht eine Fährte zur ersten Stufe…«
    ›…des Opus magnum‹, sprach Lips in Gedanken weiter und bezwang sich, nicht nach dem Metallklumpen zu greifen.
    »Schluss für heute!«, verkündete Böttger und griff nach dem Topf mit der schwarzen Schminkpaste.
    In Gedanken an Anna lag Lips dann auf seinem Lager. So wie er es manchmal bei der Grabich-Wirtin belauscht hatte, sah er Anna, die sich über eine Schüssel beugte und sich die Achseln mit duftender Seife wusch. Ihre Brüste glänzten glitschig und pendelten schwer. Die Bilder verwoben miteinander. Widerwillig sah er Böttger, der im Regal die Zutaten zusammensuchte und die Schminkpaste anrührte, dann wieder sah er Anna. Lips lag unter dem Bettstroh und beobachtete sie, wie sie vor ihrem Spiegel mit dem prunkendem Goldrand saß. Sie wusste seine Augen auf sich. Anna puderte ihr Gesicht und betupfte sich mit einem Duftwasser. Sie frisierte sich Strähne für Strähne, drehte das Haar um den Finger und türmte es kunstvoll mit langen Nadeln. Sie schien die Zeit zu vergessen. Zwischendurch betrachtete sie sich prüfend von der Seite. Sie überlegte lange, bevor sie ein Schönheitspflaster in der Form eines Mundes ausgewählt hatte und an die Wange klebte. Sie atmete in ihren Busen, ließ ihn anschwellen und drehte sich kurz zu ihm um: Ihre Blicke trafen sich, und ein begehrliches Lächeln umspielte ihren Mund.

20
    In den nächsten Wochen rannte das Gesinde, sobald die Arbeit getan war, hinaus in die Stadt, um irgendwo an einem Zaun zu gaffen, wie Prachtkarossen mit Prinzen und Prinzessinnen vor dem Stadtpalais oder dem Stadtschloss vorfuhren und höchste Staatsdiener und ausländische Gäste des Kurfürsten nach strengster Etikette feierlich Aufstellung nahmen.
    Die Versuche im Laboratorium gingen weiter. Lips versuchte sich alles einzuprägen: die Zeichen für Destillieren, Abdampfen, Einäschern und Verkalken, die Zeichen für die Arbeitsmittel wie Retorte, Kolben und Harnschauglas, dann die mehrfachen Zeichen für Sand, Gummi, Salpeter, Sedativsalz, Messing, ferner die Gewichte oder Mengenverhältnisse. Dann lernte er die Anweisungen für die unterschiedlich starken Feuer, die am Tag oder nur in der Nacht, dann wiederum ein ganzes menstruum lang brennen sollten. Lips sog alles auf, was er von der verwirrenden, geheimen Kunst mitbekam.
    Anfangs kamen der Pfarrer und der Apotheker jeden Tag hinunter ins Laboratorium und fragten nach dem Stand der Versuche. Mit den Wochen wurden die Besuche seltener. Böttger erklärte jedesmal, dass er die Ungereimtheiten in Lascaris' Aufzeichnungen schon noch entwirren würde, und er brauchte jetzt unbedingt ein ganz bestimmtes Buch! Alchemie, betonte Böttger immer wieder, wäre eine sehr, sehr langwierige Angelegenheit. Manchmal kam auch Haugwitz oder jemand anderes aus der Gemeinde um Pfarrer Porstmann mit ernstem Gesicht mit. Lips wurde dann hinausgeschickt.
    ***
    Ein strahlender Sommer kam über die Stadt. Die Festlichkeiten anlässlich der Hochzeit der Kurfürstentochter rauschten über die Menschen hinweg. Von alldem bekam Lips nichts mit. Die Wochen und Monate flogen dahin.
    Böttger hatte eine neue Versuchsreihe mit Phosphor begonnen. Über Tage hatten sie ihren Urin faulen lassen, bis er trübe war und kräftig stank. Dann wurde er destilliert. Die Kellerwände schwitzten von der

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