Der Goldschmied
Karren, auf dem die beiden Knechte standen. Beide Männer waren gefesselt, und ihre Gesichter waren teilnahmslos angesichts dessen, was nun mit ihnen geschehen sollte. Einer der Männer hustete mit einem bösen Geräusch. Ihn hatte der Huftritt wohl arg verletzt. Der Karren ächzte und knarrte trotz der Nässe ringsum.
»Wohin bringt man sie?«, fragte Gwyn einen Mann neben sich.
Der grinste nur und wackelte mit dem Kopf. Gwyn sah, dass er keine Zähne mehr hatte, und als er endlich antwortete, musste er genau hinhören, um etwas zu verstehen.
»Wohin wohl?« Der Mann lachte meckernd. »Der Henker wartet schon. Und Freund Hein geht ihm zur Hand.«
Er machte ein Zeichen um seinen Hals, das unmissverständlich war. Nichts war von der fröhlichen Stimmung zu spüren, wie sie sonst beim letzten Gang eines armen Sünders oft zu spüren war. Niemand warf Steine oder Kotbrocken gegen die Verurteilten, niemand schrie ihnen üble Verwünschungen nach. Der Regen war dichter geworden, und der Weg hinunter, weit über den Burgwall, war lang und schlammig.
»Haben sie die Tat gestanden?«, fragte Gwyn den Mann.
»Wohl, wohl. Beide haben die Frau des Köhlers geschändet und erstochen. Sind zwei Spitzbuben und haben nichts Besseres verdient. Wollten erst nichts sagen. Haben gesagt, dass noch drei weitere Strolche bei der Tat dabei.«
Gwyn folgte dem langsam fahrenden Karren. Da wandte sich einer der verurteilten Männer um und starrte Gwyn an. Dann grinste er plötzlich und rief: »Faber, erkennt Ihr mich?«
Gwyn schüttelte den Kopf. »Nein, ich erkenn Euch nicht. Weiß nur, Ihr wolltet mir ans Leben«, antwortete er ruhig.
»Muss doch einem Gefährten helfen. Wär besser durch Eure Hand gefallen als durch den Strick des Henkers.«
Gwyn sah ihn genauer an. Der Mann kam ihm bekannt vor, aber woher? In dem Zwielicht des Stalles am gestrigen Abend war das Gesicht des Mannes nicht so gut zu sehen gewesen.
Mit einem Ruck zog der Karren an und fuhr schneller. Da schrie der Mann plötzlich. »Er nannte Euch Frosch. Aber meiner Treu, nie sah ich einen Schützen so wie Euch. Mog und Ben haben’s nicht glauben wollen. Gott liebt Euch, Faber!«
Und mit einem Mal war Gwyn in seinen Gedanken wieder bei jener Szene im Wald. Und er sah Cornelius van Brunschwigg, den Freund Fletcher, er sah sich im Krieg um Bath, das Haus des Borden und sein Ende. Und er sah Agnes, und er dachte auf einmal wieder an sie, wie er schon lange nicht mehr an sie gedacht hatte.
»Gott liebt Euch!«
Er hörte den Ruf noch einmal, diesmal von weit her.
Und als er aufsah, war der Karren durch das Tor der letzten Mauer verschwunden.
Der Regen hatte, kaum eine Meile hinter der Burg des Lord Towe, aufgehört. Und eine Weile später lichtete sich das Grau am Himmel, und die Sonne kam hervor. Es wurde bald angenehm mild, und Gwyn schritt wie gestärkt aus. Der Marsch an diesem warmen Tag tat ihm gut. Nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage war sein Wunsch nach weiteren Abenteuern mehr als besänftigt. Gwyn wünschte sich nur noch eine ruhige Reise, um recht bald Glenda, die weise Frau, zu finden. Die, so hoffte er, war wenigstens noch so gut zu Fuß, dass sie die Reise zurück nach Bath in weniger als drei Tagen schaffen konnten. Gwyn vermisste seine Arbeit, die vertrauten Gerüche und Geräusche in seiner Werkstatt, das Leben in dem großen Haus des Borden, das nun sein Heim war. Aber seltsamerweise vermisste er Agnes bei alldem nicht so sehr, wie er immer geglaubt hatte. Wohl dachte er an sie. Wohl war es ihm wichtig, dass alles zu Hause wieder ins Reine kam, dass niemand Fragen stellte und dass Agnes ihr gemeinsames Kind zur Welt bringen konnte. Aber im Moment fehlte ihm dieses ungebärdige Verlangen nach ihr, dieser Wunsch, sie zu berühren, sie zu riechen. Dies verwirrte ihn sehr, denn es war neu für ihn. Es ließ ihn zudem immer wieder ins Grübeln geraten. Dann musste er an das finstere Geständnis und gleichzeitig an ihr Flehen denken, ihr gemeinsames Glück nicht zu zerstören. War es denn noch jenes große Glück?
Am frühen Morgen kam er an einen breiteren Flusslauf. Auf beiden Seiten zweigte das Wasser ab und verlor sich in kleine Rinnsale und neue Bäche, dazwischen lange Sand- und Kiesbänke, auf denen Weiden wuchsen und dichtes Kraut ein verschwenderisches Grün zeigte. In einiger Entfernung erkannte er eine schmale Brücke. Sie überspannte mit einem einzigen Bogen den Fluss. Stein für Stein schien das Bauwerk nur von der
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