Der Goldschmied
Festigkeit des verwendeten Baumaterials und der Kühnheit des einstigen Baumeisters getragen zu werden. Gwyn trat auf die Brücke, die von einer schmalen, halbhohen Mauer beidseitig begrenzt wurde. Er blieb stehen und blickte über das munter plätschernde Wasser und die blühenden Grasflecken daneben am Ufer.
Am Boden kniete eine Frau und sammelte Blumen. Gwyn beobachtete sie dabei, wie sie behutsam jede einzelne Pflanze mit einem kleinen Messer abschnitt. Sie summte dazu und schien in Gedanken zu sein.
Ohne aufzusehen, sprach sie ihn plötzlich an, und Gwyn war über ihre Worte überrascht. »Welch ein sonniger Tag, junger Herr, nicht wahr?« Sie schnitt weiter ihre Blumen und Kräuter und vermied es, sich aufzurichten und nach ihm zu sehen.
»Das ist wohl wahr. Ich such eine Frau, welche Glenda wird geheißen. Kennt Ihr sie?«
Sie lachte bei diesen Worten und richtete sich auf. »Ja, diese Frau kenne ich!«
Gwyn konnte nicht umhin, er musste sie anlächeln, und es fiel ihm nur zu leicht.
»Ich bin Glenda«, antwortete die Frau.
Gwyns Gesicht musste ein wenig einfältig und überrascht dreingeblickt haben, denn die Frau lachte erneut, diesmal noch sehr viel fröhlicher. »Ihr … Ihr seid Glenda?« Gwyns Frage war sehr ungläubig. »Glenda, die weise Frau?«
Die Frau lachte wieder und schüttelte dabei ihre Haare, denn sie trug keine Haube und kein Tuch. Nichts bedeckte die Pracht ihrer langen, blonden Locken, so wie es die Sitte gebot.
»Ja, ich bin die Kräuterglenda, die Frau mit dem bösen Blick, die Hexe aus dem Wald und so weiter und so fort. Was sich einfältige Leute eben so erzählen. Es scheint, dies war Euch nicht bekannt. Sagt, was wollt Ihr von mir?«
Gwyn antwortete nicht gleich, sondern starrte die Frau dort noch immer ungläubig an.
»Ich glaubte, Glenda wäre … nun, sie sei ein … Mir fällt kein passend Wort jetzt ein, wie ich es Euch sagen sollt …«, stammelte Gwyn.
Wieder lachte die Frau fröhlich und zeigte dabei eine Reihe blitzender Zähne. Sie raffte ein wenig ihre Schürze und schritt den sanften Hang, der das Flussbett säumte, herauf, bis sie auf den Weg kam. Ihren Korb, voll mit allerlei Pflanzen, stellte sie zu Boden.
»Was dachtet Ihr?«
Gwyn zuckte verlegen die Schultern. Er wusste auf ihre Frage nichts zu antworten, und so war sie es, die weitersprach.
»Ich will’s Euch sagen. Ihr glaubtet, Glenda sei eine alte Frau, gestraft mit einem schiefen, krummen Rücken und bösem Blick. Kein Haar mehr auf dem Kopf. Zahnlos, mit böser Stimme. Und sie stinkt wie alle alten Weiber nach Seim und ranzigem Schweiß. So dachtet Ihr, nicht wahr?«
An seinem noch immer verlegenen Gesicht konnte die Frau sehen, dass sie mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte. Sie lachte wieder ein herrliches Lachen und schüttelte dabei den Kopf. »Tröstet Euch, Ihr seid nicht der Erste, und ich muss sagen, es gefällt mir gut.«
Gwyn nickte jetzt ebenfalls und lachte dazu. Die gute Laune der Frau dort war es aber nicht allein. Glenda war höchstens 30 Jahre alt. Sie war eine sehr hübsche Frau, und alles an ihr strahlte jene Frische aus, für die man gern den Frühling zu einer Erklärung wähnt, und doch ist es die pure Lebenslust oder, besser noch, eine Zufriedenheit mit sich und der Welt, die einen Menschen so aussehen lässt.
Sie schritt etwas näher zu Gwyn und betrachtete ihn. Jetzt fand auch Gwyn wieder seine Worte.
»Wenn Ihr Glenda seid, habt Ihr dennoch jenen besonderen Blick, für den Ihr bekannt seid. Ihr habt mich nicht gesehen und doch gewusst, dass ich nach Euch schaute.«
Sie lächelte.
»Und denkt Ihr nun, ich sei eine Hexe?«
Gwyn schüttelte sogleich den Kopf. »Nein, ich denk dies nicht.«
»Da war keine Besonderheit, junger Herr. Euer Spiegelbild war im Wasser zu sehen. Das ist alles. Da wusste ich, es sieht jemand nach mir.«
Gwyn nickte verstehend. Beide sahen sich einen Moment lang an, und keiner sagte ein Wort. Bis Glenda mit sanfter Stimme weitersprach. »Wo wollt Ihr hin?«
Gwyn nickte und antwortete ihr sanft. »Ich bin schon da. Glenda, Euch suchte ich. Ich brauch Eure Hilfe.«
Aufmerksam blickte die Frau Gwyn an.
Er wollte nicht weitersprechen. All die Tage hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie er mit der weisen Frau sprechen wollte. Was er ihr erzählen sollte und was er lieber verschweigen mochte. Schließlich vertraute er ihr als fremde Person ein gar großes Geheimnis an. Wer sagte ihm, dass diese Frau so verschwiegen war, wie er und
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