Der Goldschmied
ihre Augen, und wieder ließ sie dies mit sich geschehen. Und dann küsste er sie auf den Mund, so heftig und innig, wie er es sich in all der Zeit in Gedanken so oft gewünscht hatte. Gewünscht vom ersten Moment an, als er sie von der Brücke herab erspäht hatte.
»Glenda.«
Jetzt lächelte sie und hielt ihm wieder die Fingerspitzen auf die Lippen, so wie damals in jener Nacht unter freiem Himmel.
»Herr Carlisle, nie wollt ich mich dem Gefühl eines Mannes unterwerfen. Nie selbst ein solch Gefühl haben, über das ein Mann triumphieren könnt, weil es von Herzen kommt. Von mir, nur für ihn. Seit Männer meiner Mutter alles Leid der Welt getan und seit Männer dies auch bei mir versucht, schwor ich mir dies.«
»Und jetzt?«, fragte Gwyn, als sie nicht weitersprach.
»Was wir tun, ist Sünde vor dem Angsicht des Herrn«, sagte Glenda leise.
»Ich möcht noch weitergehen …«, verlangte Gwyn.
»Ich auch, Lieber.«
»Möcht Euch ganz. So wie ein Mann eine Frau will. Will Euren Leib, Eure Brüste, Euren Schoß, Euren Mund. Alles will ich. Und immer wieder. Nicht mehr aufhören will ich …«
Sie küsste schnell noch einmal seine Hand und presste sie für einen Augenblick an ihre Wange.
Dann wandte sie sich um und schritt zur Türe. »Lady Agnes wartet. Ihr Leib schmerzt schon. Ich werd meine Kunst tun, als Hebamme und als Freundin. Gott selbst lenkt unser Schicksal.«
»Glenda!«, rief Gwyn auf einmal flehentlich.
Aber sie wollte ihm nicht weiter zuhören. Sie verschwand genauso ohne einen Laut, wie sie gekommen war.
Das Kind kam genau vier Stunden nach jener Begegnung in dem feinen Kabinett zur Welt. Die Geburt dauerte nicht lange und verlief ohne Gefahr. Wohl hatte Agnes Mühe, aber zur Erleichterung aller blieb dies beschränkt auf die Mühen, die eine Frau hat, wenn sie ihr Kind zur Welt bringt. Glenda war all die Zeit bei ihr und Gwyn ebenfalls. Er erlebte seine Frau, und er war geneigt, ihr in diesem Augenblick alles zu verzeihen. Und er erlebte sie schöner denn je. Und zugleich sah er Glenda, die mit Ruhe und Kraft ihrer Aufgabe als Hebamme nachkam, die mit warmen Tüchern und ruhigen Worten, mit kundiger Hand die Geburt erleichterte. Als das Kind in ihren Armen lag, lächelte sie es an, so dass Gwyn die besondere Zärtlichkeit in ihrem Blick sehen konnte. Er hätte gerne gewusst, was sie jetzt dachte. Und Gwyn war auf einmal stolz in diesem Augenblick, so stolz wie seit langem nicht mehr. Er wünschte, sein Lehrherr Peter Fallen wär hier und könnte dies erleben.
Glenda wusch das Kind behutsam und legte dann den rosigen, winzigen Kinderleib auf Agnes’ Busen. Der kleine Wurm suchte sofort nach ihren Brüsten und kuschelte sich dorthin, wo er in den nächsten Monaten am zufriedensten sein sollte. Dort schrie er nicht mehr. Agnes streichelte das Kind sanft über die dunklen, noch nassen Haare, und Gwyn sah, dass seine Frau vor Glück weinte. Gwyn griff nach der Hand des Kindes und war überrascht, wie fest die winzigen Finger seine Fingerspitze umklammerten, festhielten, so als ob sie nicht mehr loslassen wollten. Da beugte er sich über das Kind, küsste es und flüsterte leise, so als ob es ihn bereits verstehen könnte, kleine Kosenamen in sein winziges Ohr.
Dann kniete er nieder neben dem Bett seiner Frau und küsste sie sanft auf die Wange. Aber sie war eingeschlafen. Glenda nahm das Kind an sich und hüllte es in ein warmes Tuch.
Es war ein Junge, und er sollte Peter heißen.
Es war still im Haus. Die Glückwünsche der Männer, der Bediensteten im Hause, die Trinksprüche der Freunde waren alle gesagt und gerufen worden. Gwyn hatte erlaubt, dass zu Ehren der Geburt seines Sohnes das Tagwerk erst nach dem Mittagsläuten begonnen zu werden brauchte. Dann hatte er ein Fass mit feinem roten Wein öffnen lassen und zusammen mit den Männern angestoßen. Er hatte ihre Trinksprüche gehört. In einen prächtigen Kelch, eine Arbeit, die er noch zu Zeiten des seligen Randolph Borden angefertigt hatte, füllte er Wein. John, der Lehrjunge, erhielt von ihm den Auftrag, den Kelch in die Schlafkammer seiner Frau zu bringen. Dort schlief auch die Hebamme, zusammen mit der Lady und dem Kind.
» John, sagt Glenda meinen Dank und dass dieser Wein sie erfrischen möge.«
Der Junge nickte gehorsam.
»Und, John … du sagst Glenda, dass dieser Kelch ein Geschenk ist. Das Geschenk eines glücklichen Mannes.«
»Ja, Herr«, antwortete der Junge.
»Nenn mich Gwyn, bitt dich drum«, antwortete Gwyn
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