Der Goldschmied
freundlich.
Und der Lehrknabe strahlte übers ganze Gesicht, nickte eifrig und sagte: »Ja, Gwyn.«
Dann trug er den Kelch behutsam durch die große Werkstatt, die Treppe hinauf durch den langen Gang hin zu dem Schlafgemach seiner Frau.
Kathleen, die treue Seele, kam die Treppe herunter und betrachtete das fröhliche Treiben ringsum. Als sie Gwyn erkannte, eilte sie rasch näher.
»Wie geht es meiner Frau?«, fragte der Goldschmied.
»Sie schläft tief, und ihr Leib ist warm und ihre Stirn trocken. Die Amme half ihr das Kind einmal anlegen. Der Kleine hat einen kräftigen Durst.« Bei diesen Worten strahlte sie über das ganze Gesicht.
»Dank dir, Kathleen, dank dir für deine Hilfe.«
»Der Herr, wenn dies noch erleben könnt …«, hub sie an.
Gwyn lauschte ihren weiteren Worten. Wollte die alte, treue Seele etwas sagen? Aber Kathleen sprach nicht weiter, und Gwyn beendete ihre Gedanken.
»Wenn der Meister noch leben würde, dann wäre es sein Kind.«
»Natürlich, Herr, so sei es wohl.«
»Kathleen, seid Ihr nicht müde? Geht zu Bett.«
»Nein, mit Verlaub, Herr, ich möcht noch bleiben. Bin ganz wach. Ich freu mich so über das Kind.«
Sie drückte Gwyn die Hand und eilte dann in die Küche, um dort zu helfen, kaltes Fleisch und Brot für die Feiernden zu bereiten.
Gwyn sah einen Moment über die breite Tafel, den Platz, an dem sonst feine Arbeiten montiert wurden und für die letzte Politur ruhten, bevor die Auftraggeber kamen und sich alles abholten.
Mit sich und seiner Welt zufrieden wie lange nicht mehr, wusste er doch, dass es so nicht bleiben konnte.
Er wusste nicht mehr, wann ihm der Gedanke gekommen war, Bath und alles, was sein war, zu verlassen. Er erinnerte sich nur immer öfter an den Wunsch seines alten Lehrherrn Fallen, zu reisen und sein Wissen zu vertiefen. Dieser Gedanke hatte ihn nicht nur den Rest der letzten Nacht beschäftigt. Seit Tagen kreisten seine Gedanken um das noch offene Vermächtnis seines Lehrherrn. Am darauffolgenden Tag ordnete er alles, was es aus seiner Sicht in diesem Hause zu ordnen gab. Agnes verfügte über das Erbe ihres verstorbenen Mannes. Sie war eine reiche Frau, und es würde ihr an nichts fehlen. Die Aufträge dauerten noch wenigstens zwei Jahre, so dass die Leitung der Werkstatt auch von ihr selbst übernommen werden konnte.
So trat er noch einmal in die Schlafkammer, um sein Kind zu sehen. Agnes schlief fest, und Glenda war in der Küche zugange, und würde gleich wieder heraufkommen. Er kniete neben der Wiege des Kindes nieder und sah vorsichtig hinein. Der kleine Peter lag da, eingehüllt in ein warmes Tuch, selig schlafend. Die winzigen Finger hatte er vor seinen Mund gelegt, so als hätte er gerade heimlich gelacht. Gwyn streichelte das rosige Gesicht des Kindes und küsste es. Er hoffte nur, dass der Kleine nicht erwachte. Aber er lag zufrieden und schlief. Gwyn richtete sich auf und sah sich um. Hierher war er Agnes gefolgt, hier hatten sie das getan, wofür er keine Ruhe mehr fand. Er hatte ihr einen Brief geschrieben und hoffte, sie würde es verstehen. Er legte das Pergament neben ihr Kissen, strich das Bett dort noch einmal glatt und schlich zur Türe. Von Glenda wollte er sich nicht verabschieden, denn dies hätte ihm die Sache nur noch schwerer gemacht.
Am frühen Morgen verließ Gwyn Carlisle die Stadt, kaum mehr bei sich, als ein frommer Pilger auf seinem Weg zu einer heiligen Fahrt. Nur in einen Mantel gehüllt, als Gepäck ein Bündel, darin ein wenig Silbergeld, sein Werkzeug, dazu seinen Langbogen und ein einziger Schatz: jenes Hemd aus rotem Leinen, fein genäht und alle Ärmelenden versehen mit einem zierenden Saum.
Und alle Nähte waren so weiß wie Schnee.
Die Reise nach Augsburg
»Wir reisten, um zu lernen und zu wissen. Bis Venedig und Florenz, ja selbst nach Rom führte uns der Weg. Wir lernten schmieden, wie’s nur die Byzantiner können. Oh, all die Wunderdinge! Nur der römische aurifex kann solche Sachen.«
Gwyn schiffte sich in Bristol ein. Ein kleiner Handelssegler passierte die Südspitze Englands bei ruhiger See und segelte von dort aus in nur vier Tagen bis an die französische Küste. Auf der Höhe der Stadt Calais hatte Gwyn Glück. Eine kleine Gruppe Händler aus der Gegend war am Ufer und winkte dem Schiff. Da das milde, ruhige Wetter es zuließ, befahl der Kapitän, so nahe heranzukreuzen, dass die Händler als zahlende Reisende an Bord klettern konnten. Gwyn aber nutzte die Gelegenheit, das Schiff zu
Weitere Kostenlose Bücher