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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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raunte Jochen traurig.
    Gwyn erwiderte nichts. Er begann, sich zu konzentrieren. Die Entfernung betrug jetzt 70 Schritt. Der Wind schlief. Nur die warme, flimmernde Luft machte das Zielen schwer und ließ die Augen tränen. Gwyn ahnte, dass er an der Grenze dessen stand, was mit diesem Bogen noch zu schaffen war.
    Er schoss ruhig, und erst nach dem Schreien der Menschen ringsum wurde ihm gewahr, dass er erneut getroffen hatte.
    Die Menge war kaum noch zu halten.
    Wie eine Mauerwand aus Leibern drängten die Zuschauer links und rechts neben die Bahn, auf der sich die Schützen zum Wettkampf stellten. Die Menge drängte und schob an die Absperrung, um möglichst viel von den Schützen und ihrer Kunst zu sehen. Längst war es jedem bewusst, welch ein aufregender Wettkampf hier stattfand. Gwyn atmete langsam aus und ließ sich von Jochen zur Seite führen.
    »Meiner Treu, Gwyn, nie sah ich solche Schießkunst. Ist Euch noch wohl?«, fragte der Gefährte mit ehrlicher Bewunderung.
    Als nun der Büttel erneut antrat, schwiegen die Menschen erwartungsvoll. Der Mann hob seinen Bogen, zielte und ließ seine Waffe plötzlich sinken. Er wandte sich zu Gwyn.
    »Es sind jetzt 80 Schritt, Faber. Aber ich glaub, bald kommt ein Windchen auf. Dann ist der Wettstreit nicht mehr gleich. Wenn Ihr wollt, lasst uns zusammen schießen. Der, dessen Pfeil der Sau am nächsten, der gewinnt.«
    Die Umstehenden hatten die Worte des Büttels an die wartenden Zuschauer weitergegeben. Ein Flüstern und Raunen ging durch die Menge der Zuschauer. Gwyn zögerte noch. Einer der Turnierrichter trat hinzu.
    »Ihr Herren, ich bitt Euch. Schießt, wie es der Brauch«, befahl er höflich.
    »Nein … zusammen … zusammen …!«, schrie die Menge.
    Gwyn sah sich um. Die Leute riefen vor Begeisterung in Sprechchören. Der Turnierrichter wurde unschlüssig. Er trat zu drei weiteren Richtern, und sie besprachen sich leise miteinander. Die Zuschauer jedoch schrien und johlten vor Begeisterung.
    Gwyn blickte zu seinem Konkurrenten, der auf seinen Bogen gestützt stand. Er lächelte Gwyn zu. Er war sich seiner Sache scheinbar sicher. Jochen zupfte ihn am Ärmel.
    »Woher weiß er von dem Wind. Sagt’s ihm der Teufel selbst ins Ohr, oder misst er’s mit der Nase?«
    »Recht hat er, Jochen. Wenn der Wind nur etwas auftut, wird kein Schuss mehr recht gelingen.«
    Die Turnierrichter hoben die Arme und baten um Ruhe. Einer der Männer trat zu den beiden Schützen.
    »Wenn Ihr beide aus freiem Stück wollt schießen, so tut dies. So wie der Herr Büttel es gesagt.«
    »Nach meiner Regel?«, wollte der Büttel wissen.
    »Es sei, wie Ihr gesagt, Herr Büttel. Nach Eurer Regel«, antwortete einer der Turnierrichter.
    Erwartungsvoll sah der Mann die beiden Kontrahenten an. Gwyn nickte als Erster. Auch der Büttel erklärte sich einverstanden.
    Die wartenden Menschen quittierten das Einverständnis der beiden mit wildem Geschrei. Nun wollte jeder an die Absperrung drängen, um den beiden Bogenschützen möglichst nah zu sein. Auf einen Wink des Turnierrichters zogen die Stadtknechte auf und hielten die Menschen mit gefälltem Spieß zurück. Der Turnierrichter trat auf die Schussbahn und bat mit stummer Geste um Ruhe. Allmählich verstummte das Geschrei der Menschen. Feierlich erklärte er die neuen Regeln für diesen allerletzten Schuss.
    »Hört, ihr Leut! Hört, ihr Schützen! Auf mein Wort schießt ab ihr euren Pfeil. Sieger dieses Streites ist jener Mann, dessen Pfeil am allernächsten steckt der Wildsau auf der Scheib. Gebe Gott euch ein scharfes Augenmaß.«
    Gwyn und der Büttel stellten sich mit einem Schritt Abstand nebeneinander auf. Auf ein Zeichen des Turnierrichters hoben sie ihre Bogen und spannten gleichzeitig. Einige Atemzüge lang hielten beide die Luft an und zielten.
    »Jetzt!«, rief der Turnierrichter laut.
    Beide Schützen ließen gleichzeitig los. Den Pfeilen konnte kaum ein Auge folgen, als sie davonflogen. Nach diesem Doppelschuss blieb es still auf dem Feld.
    »Nur ein Pfeil ist angekommen! Nur einer!«, rief plötzlich irgendeine Stimme. Ein Raunen ging durch die Menge.
    Aus der Entfernung war nicht zu erkennen, wer getroffen hatte. Der Turnierrichter wandte sich um und winkte in Richtung der Scheibe. Für die Wartenden schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis zwei Knechte die große Strohscheibe heranschafften. Es fand sich wirklich nur ein Pfeil darin. Ein Herold brachte den zweiten Pfeil. Aber noch immer war nicht genau zu erkennen,

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