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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Entfernung aufgestellt war. Drei gemalte Wildsauen auf einem weißen Tuch in der Scheibenmitte zeigten den Bereich an, den es zu treffen galt. Nach jedem Durchgang wurde über die Scheibe solch ein neues Tuch gespannt. Dann wurde die Scheibe um weitere zehn Schritte von den Schützen entfernt wieder aufgestellt. Wer die Scheibe zweimal verfehlte, schied aus. Es war erlaubt, dass auch Mannschaften antraten. Sie durften jedoch höchstens drei Schützen umfassen. Damit war die Möglichkeit gegeben, dass auch ärmere Bürger an dem Wettstreit teilnehmen konnten. Viele brachten selbstgefertigte Bogen mit. Aber um wirklich einige Runden mithalten zu können, war eine perfekt ausbalancierte Waffe notwendig. Ganz zu schweigen von den Pfeilen, die nur ein geübter Flatheur zu machen verstand. Ein guter Jagdbogen kostete hier wenigstens drei Augsburger Taler. Dafür musste ein Tagelöhner fast ein Jahr arbeiten. Ein Pfeil kostete so viel wie ein ganzer Pfundlaib Brot. Dies konnten sich nur wenige leisten. So traten einige Mannschaften mit wenigen Pfeilen in ihren einfachen Leinenköchern an.
    Ein einziges Mal durfte jeder Schütze vorbeischießen. Danach war ein Fehlschuss Grund genug, den Wettbewerb zu verlassen. Nur Pfeile, die in der Scheibe stecken blieben, bekam der Schütze zurück. Lag ein Schuss daneben, wurde der Pfeil von einem Herold zerbrochen. So sollte jegliche Möglichkeit eines Betruges verhindert werden.
    Gwyn erkannte, dass hier ein spannender Wettkampf bevorstand. So hatte er zuletzt doch noch nachgegeben und Jochen zugestimmt, sich als Schütze zu beteiligen und damit eine Mannschaft zu stellen. Etliche Pfeilmacher boten ihre Pfeile an. Beide Goldschmiede kauften von einem Meister ein Dutzend gute Turnierpfeile.
    Sie waren an der Reihe, und Jochen schoss als Erster.
    Gwyn beobachtete ihn und erkannte, dass er keinen allzu starken Partner hatte. Der Geselle zielte zu lange. Der schwere Zug der Sehne ermüdete ihn bald. Obwohl er mit einem kurzen Jagdbogen antrat, war der gewiss nicht schwache Goldschmied diese Anstrengung nicht gewohnt. In der ersten Runde schied noch kein Schütze aus. Einige Teilnehmer aber hatten bereits die Scheibe verfehlt. Jochens Schuss saß, aber der Pfeil war gefährlich nahe an die markierte Grenze gekommen. Aber bereits in der zweiten Runde schoss Jochen daneben. Damit waren sie so gut wie ausgeschieden.
    Der Augsburger war sichtlich enttäuscht. Er hatte gehofft, wenigstens bis zur vierten oder gar fünften Runde mithalten zu können.
    Gwyn erbot sich, nun doch zu schießen. Er spürte schon eine ganze Weile den seltsamen Reiz, dem er sich beim Anblick eines Bogens nicht mehr entziehen konnte.
    Er prüfte die Waffe. Der Zug der Sehne war nicht so schwer wie bei seinem Langbogen. Auch war das Gewicht des ganzen Bogens viel geringer. Damit lag die Waffe nicht so ruhig in der Hand. Die Entfernung der Scheibe betrug jetzt bereits 50 Schritte. Mehr und mehr zeigten sich nun die guten Schützen. Fast alle waren Jäger oder Kriegsknechte, gewohnt und vertraut mit ihren Waffen. Und alle waren sie Gwyn im Training weit voraus. Deshalb beschloss er, alles zu wagen. Den Bogen kannte er nicht, wusste auch nichts über die Qualität der Pfeile. Auf beiden Seiten der langen Schussbahn waren im Abstand von je fünf Schritt lange, hölzerne Stangen in den Boden gerammt. Daran hingen blaue und gelbe Wimpel. Diese dienten nicht nur der Begrenzung oder gar etwa dem Schmuck des Platzes. Am Flattern der schlanken Stoffbahnen konnten erfahrene Schützen die Stärke und Richtung des Windes erkennen.
    Der Nachmittag war angenehm warm, in der Zeit weit fortgeschritten seit dem letzten Hochamt. Manchmal frischte die sanft flimmernde Luft etwas auf. Dann blies ein kurzer warmer Maiwind und ließ die Wimpel entlang der Schussbahn fröhlich flattern.
    »Achte auf den Wind!
    Er ist ein großer Schmeichler.
    Lässt er doch den Pfeil sein Tagwerk leicht vergessen.
    Täusch dich nie im Wind!
    Überlist ihn, wann immer du Gelegenheit siehst.
    Erst wenn er innehält und Kraft nimmt zu neuem Blas,
    dann schick los den Pfeil auf seine Reise.
    So fliegt er dorthin, wohin du ihn hast gewünscht.«
    Gwyn musste an die Worte seines seligen Lehrmeisters Fallen denken. Er beobachtete die bunten Stoffbahnen ganz genau. Sie hingen ohne eine Bewegung an den hölzernen Stangen herunter.
    Er hob den Bogen, spannte die Sehne. Dann zielte er kaum länger als gewöhnlich und schoss.
    Der Pfeil jagte los.
    50 Schritte weiter blieb

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