Der Goldschmied
er in der Scheibe stecken, zwei Handbreit vom Mittelpunkt entfernt. Er stak im farbigen Feld. Sie waren noch dabei.
Die Menge klatschte und johlte vor Vergnügen. Jochen freute sich sichtlich und klopfte Gwyn anerkennend auf die Schulter.
»Welch ein sauberer Schuss, lieber Freund. Wohl, denk ich, werden wir die nächste Runde weiterkommen.«
Gwyn lachte zustimmend.
Er hatte mit diesem Schuss alle Bedingungen genau prüfen können. Der Bogen war gut, wenn auch kein solch feines Gerät wie sein eigener. Die Pfeile waren genau gearbeitet und sauber ausbalanciert. Die Entfernung machte ihm nichts aus. In seiner Heimat hatte er auf weitaus größere Distanz noch sicher getroffen. Mehr galt seine Sorge dem plötzlich auftretenden Wind und den restlichen Konkurrenten. Unter ihnen befanden sich etliche Bogenschützen, die sehr gut schossen. Aber in dieser Runde schieden zwei weitere Schützen aus. Die Menge murmelte enttäuscht. Beide hatten schon in den vorhergehenden Runden je einen Fehlschuss getan.
Die Scheibe stand jetzt in 60 Schritt Entfernung.
Sie wirkte klein und war nicht mehr so genau zu erkennen. Gwyn aber fühlte sich sicher. Es wehte nicht der leiseste Lufthauch. Vor ihm war ein anderer Schütze an der Reihe. Der Goldschmied hatte erfahren, dass dies der Stadtbüttel von Landshut war. Er übernahm Aufgaben eines Herolds, und seine Knechte hielten Ordnung in der Stadt. Das Amt war angesehen und der Stand eines verdienten Mannes. Gwyn hatte ihn alle Runden vorher genau studiert. Dieser Mann verstand viel vom Bogenschießen.
Als er vortrat, schwieg die bisher fröhlich lärmende Menge. Der Büttel hatte von der ersten Runde an ruhig und sicher geschossen.
Jetzt ließ er sich Zeit, sein Ziel mit einem zugekniffenen Auge zu visieren. Nicht zu lange, damit Arm und Auge nicht ermüden. Jedoch auch nicht zu kurz, dass es zu einem leichtsinnigen Schuss kommen könnte. Mit einem surrenden Geräusch verließ der Pfeil die Sehne. Ein Helfer am Ende der Schussbahn signalisierte einen guten Treffer, indem er ein kleines Fähnchen schwenkte. Den erstklassigen Schuss belohnte die Menge mit wildem Applaus und lautem Geschrei.
Nun war Gwyn an der Reihe. Konzentriert trat er einige Schritte vor.
Dafür war Jochen umso aufgeregter. »Ein scharfes Auge, Britannier!«
Gwyn nickte kaum merklich. Er beobachtete die farbigen Wimpel entlang der Strecke.
Dann hob er den Bogen. Sorgfältig nockte er den Pfeil auf die glänzende Sehne. Er zielte kurz, aber sehr konzentriert.
Als er geschossen hatte, wartete er bewegungslos, bis der Herold das Ergebnis anzeigte. Dann erst ließ er die Waffe sinken.
Es war ein Treffer.
Die Zuschauer schrien und jubelten erneut laut durcheinander. Es war ein spannender Wettstreit geworden, und alle wussten dies. Ein Kräftemessen zwischen zwei gleichwertigen Bogenschützen. Der Stadtbüttel verneigte sich höflich vor Gwyn.
»Bei meiner Ehr, Faber. Seid ein guter Schütze. Ihr Briten seid recht gute Pfeilgesellen. Wohl war ein Normanne Euer Lehrer, nicht wahr?«
Gwyn verneinte dies. Galten die Normannen doch als Meister des perfekten Bogenschießens.
»Es sei, verehrter Herr Carlisle, der Bessere der Sieger. Die nächste Rund wird uns den Meister zeigen. Vernehmt trotzdem meine Achtung.«
Bei diesen Worten lächelte der Büttel freundlich. Aber Gwyn bemerkte, angesichts des starken Konkurrenten, den leisen Grimm in seinen freundlichen Worten.
So verbeugte er sich nun seinerseits höflich. Der Versuch des Mannes, ihn zu beeinflussen oder gar zu verunsichern, belustigte ihn.
»Verzeiht, Herr, wenn ich Euch widerspreche. Noch müsst Ihr treffen. Erst dann sieht man den Sieger. Mir scheint, Euch ist gar ein bisschen bang vor dem nächsten Gang?«
Diese Bemerkung machte den Büttel ein wenig wütend. Gwyn erkannte, wie der Mann seinen Unmut über diese kleine Stichelei nur mühsam zurückhielt.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich um und trat an die markierte Stelle für die Schützen. Erneut wiederholte er die Prozedur des Spannens, Zielens und Loslassens der Bogensehne.
Sein Schuss war wieder ein Treffer.
Die Begeisterung der Zuschauer ward kaum noch zu zügeln. Für diese Schussentfernung brauchte ein Mann nicht nur viel Glück, sondern auch großes Geschick und ein sicheres Auge. Der Büttel sah höhnisch zu Gwyn und Jochen. Er wusste, wie leicht jetzt ein Fehlschuss möglich war.
»Gwyn, mir ist, als wär dies der letzte Schuss. Der Büttel sieht sich schon als Sieger«,
Weitere Kostenlose Bücher