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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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dann wieder Meister Lambert. Ein andermal sah er sich wieder bei den Kämpfern von Bath. Und immer wieder sah er Agnes, deren weiche duftende Haut er meinte riechen und berühren zu können.
    Da brach mit einem Mal die Sonne durch die Wolken.
    Im Nu verschwand der Nebeldunst. Vor den Augen der Reisenden erstreckte sich eine lange, hohe Bergkette, steil und schneebedeckt. An den Felshängen, auf denen der Schnee wie in dünnen Spuren lag, rieben sich noch die letzten Wolkenfetzen. Der Anblick war von einer wilden Schönheit. Gwyn hatte niemals zuvor in seinem Leben so etwas gesehen. Er wünschte sich in diesem Moment, dass er diesen Anblick für alle Zeit festhalten könnte. Während auch die Venezianer stumm staunten, riss Hektors Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Eure Augen! Bindet Euch die Augen, Männer!«
    Jeder band sich seinen Schal vors Gesicht. Jetzt spürte Gwyn, wie sehr seine Augen bereits nach diesem kurzen Augenblick des Sehens tränten. Nie zuvor hatte er so eine Helligkeit erlebt. Barnino nestelte mit langsamen, müden Bewegungen an seinem Schal. Er war so abwesend wie ein Mann, der, in seinen Tagträumen gefangen, der Zeit flieht. Längst war der Venezianer als Letzter zurückgeblieben. Erst jetzt hatte er die Gruppe eingeholt. Teilnahmslos blickte er um sich. Seine Augen schienen unempfindlich zu sein, denn er kniff sie kaum zu, als er das helle Licht ringsum sah. Er stöhnte nur leise. Langsam ließ er sich neben einem der Maultiere in den Schnee fallen.
    »Steht auf, Herr Barnino. Ist kein rechter Ort für eine Rast«, knurrte Hektor.
    Er ermahnte auch die anderen, das übrige Gesicht vor der grellen Sonne zu schützen. Jeder rieb sich mit einer Paste aus Talg und Fett ein, die sie vor Tagen im Tal erworben hatten. Nun konnte man sie eher für eine Bande von Strauchdieben halten, die sich die Gesichter geschwärzt hatten, um von niemandem erkannt zu werden.
    Barnino kauerte noch immer im Schnee und machte keine Anstalten, es den anderen gleichzutun. Gwyn steckte seinen Bogen in den Schnee und stapfte an den anderen vorbei. Er beugte sich über den Reisegefährten und sah, dass der Mann völlig erschöpft war.
    »Herr Barnino, steht auf, hier könnt Ihr nicht bleiben. Kommt, ich helfe Euch.«
    Er griff den Mann an den Schultern und wollte ihn aufrichten. Aber der junge Venezianer stöhnte nur und ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zurücksinken.
    »Bei der Heiligen Frau«, flüsterte er kaum noch hörbar, »ich kann nicht mehr. Meine Beine … das Muli half mir.«
    Als Gwyn über das Schneefeld zurückblickte, sah er die Spur, die von den schleifenden Füßen des Mannes herrührte. Er hatte sich am Schweif des Maultieres festgehalten. Das brave Tier hatte zu seiner Last auf dem Rücken auch noch den erschöpften Mann durch den hohen Schnee gezogen.
    Hektor kam herbeigestapft und kniete neben Barnino nieder.
    »Kommt, steht auf, Herr. Müssen doch weiter. Werden blind von all dem Licht.«
    Der Venezianer atmete schwer und schüttelte nur den Kopf.
    »Seine Beine. Er sagt, er spüre sie nicht mehr«, raunte Gwyn dem Bergführer zu.
    Hektor zog seine Handschuhe aus.
    »Wickelt ihm die Füße aus, Faber«, befahl er.
    Gwyn wickelte die Fellstreifen von einem Bein. Hektor tat das Gleiche bei dem anderen Fuß. Die anderen Reisenden hatten sich mit der Aussicht, eine kleine Rast zu machen, im tiefen Schnee niedergelassen. Sie waren alle erschöpft.
    Gwyn hatte den Rest der Felle abgewickelt. Der nackte Fuß lag nun vor ihm. Bis hinauf zur Wade war er weiß wie Schnee, an vielen Stellen bildeten sich dunkle Flecken.
    »Öffnet Euren Rock und steckt seinen Fuß unter Euren Arm. Dort ist’s warm«, befahl Hektor dem Faber.
    Gwyn fröstelte es. Das ranzig riechende Bein des Jungen war eiskalt. Der Venezianer befand sich in einer Art Dämmerschlaf und merkte kaum noch, was um ihn herum geschah.
    Hektor hatte auch den anderen Fuß ausgewickelt. Er sah ähnlich aus, nur dass fast alle Zehen bereits tiefschwarz waren, so als wären sie in Tinte getaucht worden. Gwyn erschrak bei diesem Anblick. Er sah Hektor an. Der hatte sich sein Tuch über die Stirn gezogen. An dem besorgten Gesicht erkannte Gwyn, wie schlimm es um den Jungen stand.
    »Dort drüben wird ein Platz zum Rasten sein. Wärmt ihm auch den andren Fuß in gleicher Weis. Wir ziehn derweil dort hinüber an die Felsenwand. Dort werden wir ein Lager richten. Dann kehr ich zurück und hol Euch beide«, erklärte Hektor.
    Gwyn sah, wie die kleine

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