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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Kolonne über den Rest des Schneefeldes fortmarschierte, bis sie nicht mehr zu erkennen war. Er blieb zurück, den erschöpften, bereits fiebernden Gefährten haltend. Das Maultier, das den Jungen bis jetzt hinterhergezogen hatte, war bei ihnen stehen geblieben. Auch das Tier war von den Anstrengungen völlig erschöpft. In dem hellen Sonnenlicht hob Gwyn seinen Kopf nur so weit, dass er unter dem schmalen Spalt gerade noch ein wenig sehen konnte. Barnino begann, leise zu stöhnen. Seine Beine erwärmten sich wohl ein wenig, und mit dem pulsierenden Blut kam auch der Schmerz.
    Dafür wurde es Gwyn langsam kalt. Er hätte sich gerne erhoben, gestreckt und sich dabei etwas aufgewärmt. Aber er wagte nicht, die sorgsam erwärmten Füße seines Reisegefährten aus der wärmenden Umhüllung zu nehmen. Als er den Kopf wandte, sah er Hektor, der sich ‒ so schnell er konnte ‒ einen Weg zurück über das Schneefeld bahnte. Gwyn hörte ihn schnaufen und sah die weißen Dunstschwaden, die aus seinem Mund aufstiegen und sich in der klaren Luft sogleich auflösten.
    Als der Mann Gwyn erreichte, rang er schwer nach Atem.
    »Sind seine Beine wärmer?«
    »Ja, aber dafür friert mich nun.«
    »Faber, wickelt seine Beine wieder ein, nicht zu fest. Wir setzen ihn auf das Maultier. Ihr haltet ihn. Ich nehm Gepäck und trag Euren Bogen.«
    Gwyn nickte zum Einverständnis. Seine Augen begannen, trotz des Sonnenschutzes, bereits heftig zu tränen. Gemeinsam hoben sie den Venezianer auf den Rücken des Maultieres. Hektor hatte sich so viel Gepäck aufgeladen, wie er tragen konnte. Den Rest ließ er liegen. Gwyn stützte den Jungen, während das Maultier Schritt für Schritt der ausgetretenen Spur folgte. Sie brauchten noch eine Weile, bis sie die Felswand erreicht hatten. Dort lag der Schnee nicht ganz so hoch. So kamen sie hier leichter voran. Der Wind hatte kleine Schneewälle mit scharfen Graten geweht. Einmal kaum höher als einen Fuß, dann wieder so hoch, dass man gerade darüberschauen konnte. In einer breiten Senke lagen einige Felsen. In ihrem Schutz hatten sich die anderen Mitglieder der Gruppe zusammengedrängt. Als sie Hektor und Gwyn erkannten, kamen sie näher und halfen, ihren Gefährten von dem Rücken des Tieres zu heben.
    Der junge Venezianer fieberte.
    Aus zwei Wolfsfellen und geleerten Warensäcken bereiteten sie ihm eine Unterlage. Darauf betteten sie den Jungen und deckten ihn zu. Sie waren alle müde und erschöpft. So ließen sie sich auf ihren Fellen nieder und drängten sich eng aneinander. Hektor bot Wein aus dem Schlauch an. Aber nur Gwyn nahm einen Schluck, wohl in der Hoffnung auf das kurze, warme, wohlige Gefühl. Aber diesmal blieb es aus. Hektor schlug derweil mit seinem Feuerstein kleine Funken, die in bunten Lichtsprüngen in einer Handvoll trockenem Moos verschwanden.
    »Ihr wisst um Barninos Bein?«, fragte der Mann plötzlich.
    Gwyn nickte stumm. Ihm war noch immer kalt. Nach dem Schluck Wein erwärmte er sich nur wenig.
    »Wundbrand. Ich sah derlei im Krieg zu Bath«, antwortete er.
    Seine Stimme zitterte ein wenig vor Kälte.
    Hektor nickte langsam mit dem Kopf, als er erkannte, dass der Goldschmied die schweren Erfrierungen deuten konnte.
    »Der rechte Fuß ist ihm ganz erfroren …«, murmelte er.
    Gwyn starrte in die winzige Flamme, die plötzlich zaghaft aus dem kleinen Holzhaufen herauszüngelte.
    Die Kaufleute hatten sich beim Anblick des kleinen Feuers näher gesetzt. Zitternd hielt jeder seine kalten Hände über die lebhafter werdende Flamme.
    »Sein Bein ist tot, verfaulen wird es. Dies wird den ganzen Leib vergiften …«, erklärte Hektor düster.
    Die Männer schwiegen alle und rieben die steifen Hände. Gwyn wusste, dass allein Zacharias, ihr Anführer, die Entscheidung aussprechen musste, und dies Wort galt für alle.
    »Er ist uns ein Gefährte und ein guter Freund. Noch jung. Seine erste Reise, auf die wir aufbrachen vor mehr als einem Jahr. Rettet sein Leben, Hektor. Und wenn es sein muss, so nehmt den Fuß als Pfand.«
    Zacharias hatte dies laut gesagt, und als er geendet hatte, wagte es keiner, den Kopf zu heben und einem Gefährten ins Gesicht zu schauen. Erst als Hektor antwortete, sahen alle auf.
    »Herr Carlisle! Nur Ihr könnt sicher ein Werkzeug führen.« Er holte Luft, und seine Stimme war kaum zu hören. »Tut Ihr es! Nehmt ihm den Fuß, sonst wird er sterben.«
    Gwyn hatte das Gefühl, als schnüre ihm jemand plötzlich die dünne Luft ab. Gerade so viel, dass er

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