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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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noch atmen konnte. Das Blut dröhnte in seinem Kopf. Er sah sich für einen Moment wieder inmitten der Schlacht um Bath, wie dort die Bader den Verwundeten Arme und Beine, Hände und Gliedmaßen abschnitten, als wägen sie Fleisch für ein großes Fest. Er fühlte sich mit einem Mal sehr hilflos.
    »Dies könnt Ihr nicht von mir wollen! Ich bin ein Goldschmied, kein Medicus. Ich versteh nichts vom Menschenleib … Der Herr sei mein Zeuge!«
    »Ihr seid noch jung, aber erfahren und von Weisheit. Tut es, zu Willen des Gefährten. Wir wissen, Ihr seid ihm wohlgesinnt.«
    Wieder war es Zacharias, der Älteste in der Gruppe, der dies sagte. Und an seinem Blick erkannte Gwyn, wie wichtig ihnen seine Hilfe war.
    Gwyn sprang auf und stolperte schnell ein paar Schritte fort von dem wärmenden Feuer. Am Rande des großen Abhanges konnte er die riesige Schneefläche sehen, die sie alle zuletzt überquert hatten. Er beobachtete die Dunstwolken, die langsam aus den tieferen Tälern heraufzogen. Bereits jetzt, am Nachmittag, war kaum mehr ein Sonnenlicht zu sehen, und bald würde es so dämmrig sein, als wäre es schon früher Abend. Die Spur durch den hohen Schnee, die sie bis zu diesem Platz getreten hatten, war ein dunkler Strich auf dem grauweißen Hang. Als wäre ein Strahl Milch über ein Stück sauberes Leinen geronnen, immer schmaler geworden und dann versickert.
    Gwyn atmete einige Male heftig. Noch eine Weile beobachtete er den aufziehenden Nebel. Dann merkte er, wie er fror. Er wandte sich um und ging die wenigen Schritte zurück. Hektor hatte das Feuer nicht zu groß werden lassen. Sie besaßen nicht mehr so viel Feuerholz. Gwyn streckte seine kalten Finger über die Flammen und genoss die wohlige Wärme.
    »Was ist Euch, Faber?«, fragte einer der Venezianer leise.
    Bevor ihm Gwyn antworten konnte, redete Hektor. »Gwyn, morgen liegt ein wahrlich elendig Teil des Wegs vor uns. Große Eisfelder, tückisch, voller Spalten. Darin ein Mann samt Tier verschwindet, auf ewig. Wir werden Barnino nur mit uns nehmen können, wenn er den Mut hat, Schmerz und Pein leis zu ertragen. Tun wir nichts, wird er sterben, wohl diese Nacht. Und wenn nicht heute Nacht, dann morgen, auf dem Berg. Sein Leib fiebert.«
    Gwyn blickte in das bärtige Gesicht ihres Anführers. Er sah, wie müde und erschöpft auch er war.
    »Hektor, erinnert Ihr Euch noch an meine Frag? Ob schon die Pforten des Himmels vor uns liegen?«
    Die Venezianer murmelten ein paar Worte in ihrer Sprache und bekreuzigten sich dabei hastig. Aus ihren verschreckten Gesichtern sprach die Furcht.
    Hektor spuckte neben sich in den Schnee.
    »Wir sind sehr hoch gestiegen. Werden nichts mehr tun, was den Himmel erzürnt.«
    »Wie lange müssen wir noch gehen?«
    »Nun, tragen wir Barnino, wohl noch zwei Tagesreisen. Dann liegt Schlimmes hinter uns und nichts Schreckliches mehr davor. Kein Eis mehr und kein Schnee, so wahr uns Gott in seiner Allmacht helfe.«
    Nach einer Pause aber setzte er hinzu: »Wenn Er es nicht will, wird keiner von uns das Land der Latiner mehr sehen. Wir haben kaum noch zu essen, und wir werden nicht mehr trocken. Auf dem Berg können wir nicht länger bleiben.«
    Mit diesen Worten hatte ihr Führer alles gesagt. Gwyn schnürte sein Bündel auf. Er entrollte das feine Leder mit dem Werkzeug, welches ihm sein Lehrherr Peter Fallen einst vermacht hatte. Er sah zu Barnino hinüber. Der Venezianer stöhnte leise in seinen Fieberträumen.
    »Was immer ich tue, Ihr müsst mir helfen! Hört Ihr! Vergesst nicht, ich bin ein Faber, nur ein Goldschmied …«, schrie er laut.
    Seine Worte schienen in der Dämmerung zu verschwinden, und von den schroffen Berghängen hörte man das Echo, bis es leiser werdend ganz verstummt war.
    Einer nach dem anderen nickte mit dem Kopf, zustimmend.
    Gwyn zitterte heftig. Aber er spürte deutlich, dass es nicht nur von der Kälte kam.
    Ein lederner Eimer hing über dem Feuer. Das Wasser darin brodelte leise.
    Die Venezianer hatten ihren Gefährten neben das Feuer getragen und aus einer Tuchbahn und zwei kurzen Holzstangen einen Windschutz errichtet. Gwyn hatte seine Hände in das warme Wasser eingetaucht und darin massiert. Es war ein angenehmes Gefühl gewesen, und er tat dies so lange, bis er die Hitze nicht mehr ertragen konnte. Dann trocknete er die nassen Hände über den offenen Flammen. Einen Teil seiner Werkzeuge hatte er ebenfalls in das heiße Wasser geworfen. Aus der Seide, welche die Venezianer im Gepäck hatten, rissen

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