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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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ein guter Lehrling, der beste, den ich hatt in all der Zeit. Warst mir Schüler, Helfer und Freund. Wirst einmal ein großer Meister werden, dies ist wohl gewiss.
    Fresenius wird kommen und mich suchen. Und finden wird er mich. Ich, der ich alt und müde, will mich nicht verstecken, nicht mehr. Sei versichert, ich habe keine Furcht. Alles, was ich am Handwerk so geliebt, trägst Du nun weiter.
    Nutz Dein Wissen und erfülle mir einen frommen Wunsch: Werd Geselle vor der Zunft und dann geh auf Wanderschaft!
    Form edles Metall, wo immer Christen es von dir wünschen! Wenn Du genug gelernt, verlass Britannien und geh ins Reich der Teutschen. Folg dem Fluss, den Lech sie nennen. Bis in die Stadt, die Augsburg wird genannt. Dort frag nach Meister Lambert. Lerne von ihm. Erst dann kehr heim nach England und lass Dich nieder.
    Ich denk an Dich und liebe Dich, wie ein Vater und ein Freund
    denkt an seinen Sohn und Freund und ihn liebt. Vergiss nicht
    Peter Fallen, Sohn des Fallen, Sohn dessen.
    Londinium 1120 A. D.
    Gwyn hörte nicht die lauten Rufe der Gäste aus der Schenke. Er sah sich für einen Moment wieder in der kleinen Werkstatt, an dem großen Tisch unter dem Fenster. Dort, wo er gelernt hatte, wie ein Goldschmied aus Edlem noch Edleres schafft. Dort, wo Peter Fallen, sein Meister und Freund, mit ihm lebte und arbeitete.
    Behutsam öffnete Gwyn das leinene Paket.
    Er fand darin eine Auswahl Werkzeuge: verschiedene Stichel, alle mit hölzernem Heft, ein Satz Planschenhämmer zum Schlichten und zum Treiben, ein Sortiment von handgehauenen Feilen und eine Schere zum Schneiden feiner Bleche. In einem Futteral befand sich noch eine Kölner Waage, kostbar und wegen ihrer Genauigkeit besonders begehrt von allen Goldschmieden in jener Zeit. Dazu ein Zirkel und ein Bandmaß aus Silber, ganz fein poliert. So ausgestattet, würde er sein Handwerk überall in fremden Ländern ausüben können. Er nahm den Brief fest in die eine Hand und umschloss mit der anderen das Werkzeugbündel.
    »Gott mit Euch in alle Ewigkeit, Master Fallen. In alle Ewigkeit!«
    Und er weinte, bis er einschlief.
    ***
    Der Page bat Gwyn zu warten. Dann verschwand er leise hinter einer prächtig geschnitzten Türe. Gwyn sah sich neugierig in dem großen Raum um. Im Zunfthaus der Gold- und Zirkelschmiede war er noch nie gewesen. So legte er den Kopf in den Nacken und betrachtete staunend die hohe, geschnitzte Decke aus britischer Eiche. Ein feines Fries ringsum, ebenfalls aus Holz geschnitzt, ließ Decke und Wände wie aus einem Guss wirken. Gwyn mochte Holz. Er bewunderte die Arbeiten der Tischler und der Schnitzer sehr. Und er mochte den Geruch der verschiedenen Holzarten. Der prächtige Fußboden war mit Bohlen bedeckt, die in einem rötlichen Ton dunkel schimmerten. Fleißige Hände hatten das Holz geglättet. Die Fläche wirkte so glatt, als sei der Boden ein einziger, edler Stein. Dazu roch es angenehm nach Bienenwachs und feiner Holzasche.
    An der Längsseite öffnete sich die Türe. Es geschah ohne ein Geräusch. Ein älterer Mann trat auf Gwyn zu. Er trug die traditionelle Kleidung der Goldschmiede: ein einfaches, gelbes Leinenwams, welches ihm bis zu den Knien reichte. Dazu ein paar Beinkleider aus demselben Stoff. Darüber eine ärmellose Jacke aus fein gegerbtem roten Leder, den Saum um die Ärmelöffnungen mit grauem Fell verbrämt. Auf dem Kopf saß eine kleine, dunkelrote Kappe aus Samt. Der einzige Schmuck des Mannes war eine schön gearbeitete, silberne Halskette. Daran hing der Kopf eines Zirkels. Gwyn wusste um die Bedeutung dieses Zeichens. Nur ein Meister der Zunft durfte dies tragen.
    »Seid gegrüßt, Gwyn Carlisle, Sohn des Carlisle, Schüler und Lehrling des seligen Peter Fallen. Ich bin Master Robert Pyle.«
    Gwyn beeilte sich nach der Vorstellung des anderen, sich ehrerbietig zu verbeugen. Robert Pyle war Meister und Angehöriger der Innung. Er besaß großen Einfluss innerhalb der Zunft, und sein Wort war auch in den anderen Vereinigungen geschätzt. Das kostbare chirurgische Besteck für den Leibmedicus des Königs stammte aus seiner Hand. Der Meister war dazu ein Mitglied im Rat der Zehn, dem Oberhaupt der Zunft. Robert Pyle war ein bekannter und geschätzter Goldschmied.
    »Gott schütze Euch, Master Pyle. Ich danke Euch für Euren Gruß.«
    Gwyn fühlte sich plötzlich unsicher. Warum hatte man ihn hierherbestellt? Und warum empfing ihn ein so berühmter Meister?
    Der Mann trat noch einen Schritt näher. »Man wird Euch

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